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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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sind in Berlin verbrannt. Oder sie vermodern in irgendeinem Gemeindearchiv in einem Dorf, das heute sowjetisch oder polnisch ist und schwerer zu erreichen als der Mond. Du bist Anna von Veckinhausen. Du bist frei.«
    »Und du? Bist du frei?«
    Er erzählt ihr von Karl. Von dessen Studium. Vom Abendessen mit ihm und von komplizierten Gesprächen. »Seine Kindheit ist unwiderruflich zerstört«, schließt er. »Aber seine Jugend nicht. Er hat sich gefunden, er fängt neu an.« Stave küsst Anna. »Ich glaube, wir haben uns alle einen Neuanfang verdient.«
    Da lächelt sie, wie sie ihn noch nie zuvor angelächelt hat, streicht sich ihre Strähne aus dem Gesicht und flüstert: »Du wirst heute zu spät ins Büro kommen.«
    Es ist Jahre her, dass Staves Seele so leicht war. Er fühlt sich frei und voller Energie, als er vormittags die Palmaille entlangfährt. Diesmal werde ich Anna halten, verspricht er sich. Und Karl werde ich halten. Ich bin noch einmal davongekommen. Er würde sogar Urlaub beantragen, den ersten seit 1941, wenn da nicht noch dieser Fall wäre: der tote Rolf Rosenthal, die Kunstwerke aus dem Reimershof. Der Bankier, der alles leugnet. Eine winzige Nadel, die sein Wohlbefinden stört.
    Er wird von einem dunklen Auto überholt, das ihm irgendwie ungewöhnlich vorkommt. Er braucht einige Sekunden, um die Ursache dafür zu erkennen: ein Taxi. Wann hat er das letzte Mal eine Motordroschke gesehen? Vor dem Krieg? In den ersten Kriegsjahren? Seit 1945 und den Fahrverboten, Fahrtenbüchern und Benzinrationierungen sicher nicht mehr.
    Die Linie 31 rattert ihm entgegen. Die Straßenbahn ist höchstens zur Hälfte besetzt, auch eine Premiere nach langer Zeit. Die wenigen Bahnen waren bis gestern überfüllt, hier schoben sich Angestellte und Arbeiter, Hausfrauen und Kinder, Händler, Schieber und Hamsterer in die Wagen, bis die Türen kaum noch schlossen. Jetzt fehlen die Schieber und die Hamsterer. Stave überlegt, wann Bahr vom Chefamt S ihm eine neue Sache zuweisen wird. Und welche das wohl sein könnte.
    Die Kripo-Zentrale vibriert wie ein Bienenstock, den jemand angerempelt hat. Bahr reibt sich die Hände, als Stave den Flur im fünften Stock betritt.
    »Wo waren Sie denn?«, fragt ihn sein Chef.
    »Ermittlungen.« Erstaunlich, wie leicht ihm die Lüge über die Lippen geht.
    »Verstehe. Ich war heute Morgen auch schon auf dem Hansaplatz. Wollte unsere Klienten schwitzen sehen. Allein wegen der verdutzten Gesichter der Schieber ist die Währungsreform schon alle Aufregung wert.«
    »Die Kerle können einpacken.«
    »Das tun sie auch, wortwörtlich. Sie verscherbeln ihre Sachen und packen ein, was keiner mehr haben will. Die Lucky Strike, für die Sie vor ein paar Tagen noch sieben Reichsmark hinlegen mussten, bekommen Sie nun für fünfundzwanzig neue Pfennige, Tendenz fallend. Zigaretten sind auf dem Schwarzmarkt billiger als in den Tabakgeschäften, weil die Herren Hehler ihre Lager räumen. Ein Pfund Butter ist für fünf Deutsche Mark zu haben.« Bahr lacht triumphierend wie ein General am Ende eines gewonnenen Krieges.
    »Was wird aus dem Chefamt S?«, fragt der Oberinspektor.
    »Sie können zur Sitte wechseln, wenn Sie wollen. Jede Menge Schwalben stehen selbst am helllichten Tag am Bordstein. Die Mädchen haben ihre Zimmer bislang mit Zigaretten bezahlt. Die sind nichts mehr wert, also setzt man sie vor die Tür. Mit der neuen Mark sind aber zum ersten Mal neben alliierten Soldaten und Schiebern auch ganz normale deutsche Männer wieder als Freier attraktiv. Das wird der Sitte Arbeit machen.«
    »Das ist nicht gerade meine Leidenschaft.«
    »Da sind wir ja schon zu zweit. Gut. Auch die Wirtschaftsdelikte werden uns nicht ausgehen. Ich werde gleich den Hauptbahnhof abpatrouillieren. Einige besonders kluge Köpfe haben in den letzten Tagen mit der alten Reichsmark Bahnkarten gekauft und bieten sie nun an den Gleisen zu überteuerten DM-Preisen an. Flüsternd, wie auf dem guten, alten Schwarzmarkt. Den Leuten fällt immer etwas ein. Kommen Sie mit?«
    »Ich muss noch einen alten Fall zu den Akten legen.«
    »Die Kunstwerke vom Reimershof? Was gibt es da noch zu ermitteln?«
    »Geben Sie mir noch ein paar Tage«, erwidert Stave und schließt die Tür zu seinem Büro hinter sich.
    Der Kripo-Beamte bearbeitet das Telefon, bis er Kienle an der Strippe hat. »Können Sie vorbeischauen?«, fragt er den Fotografen.
    »Dienstlich?«
    »Gewissermaßen.«
    »Klingt wie eine nicht ganz legale Sache. Ich

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