Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
glauben, dass man bis zum Ende dieses Monats anderes Geld haben wird. Waren werden gehortet. Die Läden sind leerer als im Hungerwinter, weil Kaufleute ihre Sachen verstecken, sie hoffen, bald bessere Preise zu erzielen. Und weil niemand mehr alte Reichsmark in der Kasse kleben haben will. Wir Alliierten sind irgendwie Gefangene der Deutschen geworden: Wir können gar nicht mehr anders, als möglichst schnell das neue Geld einzuführen. Die Sache entgleitet uns, wir müssen das jetzt durchziehen.«
»Ob nun mit Blüten auf dem Schwarzmarkt oder ohne?«
»Wenn wir den Fälscher nicht bis zum Tag X schnappen, dann eben danach. Sehr schnell danach.«
»Es ist immerhin möglich, dass die Druckpresse, nach der wir suchen, gar nicht in Hamburg versteckt ist.«
»Wir suchen überall in der Britischen Zone.«
»Und wenn sie«, Stave zögert kurz, »bei den Russen ist? Die Sowjetzone beginnt nur ein paar Kilometer hinter Hamburg. Ziemlich leicht, ein paar Blüten über die Elbe zu schmuggeln.«
»Dann bombardieren wir Moskau«, erwidert der Lieutenant ungerührt, und Stave weiß nicht, ob das ein Scherz sein soll oder nicht. Der Oberinspektor trinkt die Limonade in einem Zug leer, weil seine Kehle plötzlich trocken ist. »Ist morgen der Tag X?«
»Nahe dran, mehr darf ich Ihnen leider immer noch nicht verraten«, erwidert MacDonald und erhebt sich aus dem Sessel. »Kommen Sie, ich habe für uns einen Tisch reservieren lassen. Englischer Lunch ist besser als sein Ruf. Beim Essen erzählen Sie mir von Ihrem anderen Fall, während ich Ihnen, wie jeder frischgebackene Vater, sentimentale Geschichten von meiner Tochter auftische.«
Zehn Minuten später stochert Stave unentschlossen in Lammfleisch mit Minze herum, während er vom Schicksal des Bronzekopfes berichtet.
»Ich möchte mich absichern, bevor ich bei Harlan an die Tür klopfe«, schließt er.
»Ich erkundige mich in London«, verspricht MacDonald. »Nach allem, was ich gehört habe, ist es den Schweden außerordentlich peinlich, dass Kristina Söderbaum eine Bürgerin ihres Landes ist. Je seltener das weltweite Publikum darüber in der Presse liest, desto besser. Wenn Sie die Befragung also diskret halten können, wird Stockholms Botschafter wahrscheinlich schon zufrieden sein.«
»Wollen Sie mitkommen?«
»Auch das werde ich meine Vorgesetzten fragen. So einen Kerl wie Harlan will ich schon kennenlernen, aber wie gesagt: Diskretion geht über alles. Ich muss erst sehen, ob ich die Erlaubnis bekomme.«
MacDonald greift in seine Hemdtasche und zieht ein Bündel Fotos hervor: zerknitterte Abzüge, die Ränder verblasst, weil sie schon so oft angefasst worden sind. Erna, lächelnd, ein Baby im Arm. Erna am Ufer der Alster. Ein Baby auf einer Decke. Erna, MacDonald und ein großer Kinderwagen zwischen Bäumen, vielleicht mit Selbstauslöser fotografiert. Erna in einem Sommerkleid, das sie kokett schwingt.
»Die kleine Iris ist ein Sonnenschein«, sagt Stave. »Und Erna ist wunderschön.« Tatsächlich ist sie noch etwas rundlicher geworden, als er sie in Erinnerung hatte, die Haare sind länger. Auf manchen Bildern scheint sie sogar Lippenstift aufgelegt zu haben, was man bei deutschen Frauen kaum noch sieht. Drall, kräftig, voller Lebensenergie. Und doch ist ihm, als läge etwas Trauriges in ihrem Blick. Er denkt an ihren Sohn, den sie nicht zu sich holen darf.
»Sie wird auch meine Familie daheim in Lockerbie bezaubern«, erwidert der Lieutenant. Doch er klingt nicht restlos überzeugt. Er lächelt kurz, schiebt die Fotos wieder zu einem Packen zusammen und stopft sie in die Hemdtasche. Er will noch etwas sagen, kommt aber nicht mehr dazu.
Lärm, Geschrei, Geklapper, ein Zittern im Boden. Stave und MacDonald fahren herum. Der Oberinspektor greift unwillkürlich nach seiner Pistole, erinnert sich im letzten Moment daran, dass er in einem britischen Offiziersclub keine Autorität und seine Waffe sowieso nicht dabeihat, und atmet durch. Ein junger Captain ist vom Park bis in den verglasten Salon gekommen – hoch zu Ross. Irgendwie ist er auf einem nassglänzenden Rappen durch die zweiflügelige Tür bis zwischen die Tische geritten. Nun posiert er im Raum wie ein lebendes Standbild, bedrohlich riesig in dem allseits verglasten Raum. Hochrufe seiner Kameraden, jemand reicht dem Captain ein Whiskeyglas. Der Hengst schnaubt nervös, schüttelt den Kopf. Er riecht nach Schweiß, sein rechter Hinterhuf klappert auf dem Boden.
»Cheers!«, ruft der Captain. Er
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