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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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erwidert der Bankier mit bebender Stimme. Er beugt sich vor. »Jetzt will ich Ihnen mal das eine oder andere erklären, Herr Oberinspektor: In den Jahren, in denen dieser Mann ›Jud Süß‹ gedreht hat, habe ich immer noch an meinen jüdischen Angestellten festgehalten. Mein engster Vertrauter war mein Prokurist Rosenthal. Allein dieser Name auf meiner Gehaltsliste hat ausgereicht, um mir einen Besuch gewisser Herren in Ledermänteln einzuhandeln. Also selbst wenn Veit Harlan und ich uns für die gleiche moderne Kunst interessieren, was mich überdies ziemlich überrascht, dann ist das noch lange kein Grund, mich mit ihm abzugeben. Damals nicht und jetzt erst recht nicht.«
    »Das Bronzebildnis Toni Webers wird irgendwann nach 1933 von den Nazis als ›entartete Kunst‹ beschlagnahmt und 1937 auf der berüchtigten Ausstellung hergezeigt. Es wird im Frühjahr 1938 von Veit Harlan als Requisite in einem seiner Filme benutzt – einem Film, den er in Berlin dreht«, erklärt Stave ruhig. »Spätestens seit 1943 jedoch wird das Kunstwerk in einem Kontorhaus in Hamburg aufbewahrt. Wie kommt es dort hin? Wer hat es dort gelagert? Wenn ich das erfahre, dann weiß ich auch, wem das Werk gehört. Ich könnte es dem rechtmäßigen Besitzer zurückerstatten. Der Fall wäre gelöst.«
    Der Oberinspektor überlegt wieder, Schramm auf das Foto mit dem Bronzekopf anzusprechen – dem Beweis dafür, dass die Skulptur schon Ende 1938 in Hamburg war, in eben jener Villa, in der er dem Bankier gegenübersitzt. Alles spricht doch dafür, dass Schramm irgendwann danach das Objekt in seiner privaten Büroetage im Reimershof versteckte – vielleicht, weil die Gestapo-Besuche so bedrohlich wurden, dass er beschloss, »entartete« Kunst nicht mehr in seinen Privaträumen auszustellen. Dort wurde es dann ein Opfer der Bombenangriffe von 1943. Er müsste die Geschichte nur bestätigen, würde den Bronzekopf und wahrscheinlich auch die anderen Kunstwerke zurückerhalten, immerhin ein Vermögen im Wert von einigen Tausend Reichsmark, und kein Polizist würde sich je wieder um die Sachen kümmern.
    Mach dir nichts vor, überlegt der Kripo-Mann. Warum hat Toni Weber, der Schöpfer der Skulptur, nie ein Wort mit Schramm gewechselt? Und wie und warum sollte ausgerechnet ein Kunstwerk aus den Händen eines Nazi-Regisseurs in die eines vom Regime bedrängten Mannes gelangen? Und was hat der Tote mit alldem zu tun, den man in den Trümmern neben den Werken entdeckt hat? Irgendetwas stimmt an der Geschichte nicht – und wenn Schramm das Objekt als seines beanspruchen würde, dann bliebe ich ihm trotzdem auf den Fersen, würde nachbohren, keine Ruhe geben. Der Mann weiß das. Hat ja oft genug mit hartnäckigen Polizisten der gefährlichsten Sorte zu tun gehabt. Der wird mir nichts verraten.
    »Es gibt so viele ungelöste Fälle«, erwidert Schramm, »aus der Zeit nach 1945 und aus der Zeit davor. Das ist nun wahrlich nicht der wichtigste rätselhafte Fall, nehme ich an. Legen Sie ihn zu den Akten und übergeben Sie die Kunstwerke der Stadt Hamburg. Sie werden ins Museum gelangen. Und da gehören Sie auch hin.«
    »Danke für den Ratschlag.«
    »Sie sollten ihn beherzigen«, erwidert der Bankier. Es klingt wie eine Drohung.
    Stave fährt bis zur Polizeiwache 31 in Barmbek, es sind nur ein paar hundert Meter. Jüdische Mitarbeiter, denkt er. Schramm hat Juden beschäftigt, auch noch nach 1933. Das ist doch schon mal was. Wenn das eine offizielle Ermittlung wäre, würde er sich jetzt Mitarbeiterlisten vornehmen, Personalakten, so etwas. Stattdessen wird er sich einen Umweg einfallen lassen müssen.
    Auf der Barmbeker Polizeiwache gibt es ein Telefon. Er klemmt sich den Hörer ans Ohr, bearbeitet die Wählscheibe und hat nach einigen Minuten erfahren, wo sich MacDonald gerade aufhält: im britischen Offiziersclub in Volksdorf. Der Sergeant, den er an der Strippe hat, redet Englisch mit ihm – laut und langsam, wie mit einem tumben Kind. Trotzdem kann der Kripo-Mann erst beim dritten Nachfragen verstehen, wo genau dieser Club untergebracht ist: die Ohlendorffsche Villa. Er hat von dem Anwesen gehört, vor dem Krieg, dort gewesen ist er aber nie. Er studiert den Stadtplan auf der Wache und entdeckt sein Ziel schließlich am obersten Rand des Papiers.
    »Eins muss man den Engländern lassen«, wirft ein älterer Schupo ein, der Stave beobachtet hat. »Sie finden schöne Häuser, selbst wenn sie weit vom Schuss sind.«
    »Sie kennen das

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