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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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wichtig. Er legt sich unter den kalten, vom Rost leicht rötlich schimmernden Wasserstrahl, schrubbt sich mit Kernseife die Haut ab, zwingt sich wieder unter das Nass.
    Keuchend liegt er irgendwann auf dem Kachelboden zwischen Wanne und Toilette, zitternd, mit blau angelaufenen Fingern und Füßen, zu schwach, um das Handtuch zu sich zu ziehen, das am Haken der Tür hängt. Aber einen Moment lang durchströmt ihn Erleichterung, fast Glück, denn sein Kopf ist endlich leer, sein Geist hat sich ganz dem Schmerz und der Erschöpfung ergeben.
    Viel später sitzt er am Tisch, eine Tasse dampfenden Ersatzkaffees in den Fäusten. Feuchtes Graubrot mit Ersatzhonig, einer Masse, die zäh und gelbweißlich ist wie warmer Tapetenleim und auch nicht besser schmeckt, vermutet Stave. Er fühlt sich, als kehrte er nach einer langen Abwesenheit in den eigenen Körper zurück, halb misstrauisch, halb freudig überrascht, wie man seine Wohnung nach einer Weltreise wieder betritt.
    Als jemand energisch an seine Tür klopft – es ist noch nicht einmal acht Uhr, wahrscheinlich denkt sein Besucher, er müsse ihn wecken –, springt Stave deshalb erwartungsvoll auf, obwohl durch alle Muskeln ein warmer Schmerz rieselt, seine Brust zieht und sein linkes Fußgelenk angeschwollen ist.
    Hauptpolizist Ruge. »Sie sind schon wach?«, ruft er und starrt ihn mit einem Blick an, der Stave verrät, dass das kalte Wasser längst nicht alle Spuren seines nächtlichen Trainings weggewischt hat. Wahrscheinlich sehe ich durchgeprügelt aus, denkt er und ringt sich ein Lächeln ab. »Frühsport«, erklärt er. »Gibt es neue Ergebnisse?«, setzt er hoffnungsvoll hinzu.
    »Nur neue Befehle.« Der junge Schupo hebt bedauernd die Hände. »Wir sind von Cuddel Breuer ausgesandt worden, um alle Krimsches zu informieren: Morgen gibt es eine Sonderaktion. Alle Beamten sollen um acht Uhr in der Zentrale sein.«
    »Sonderaktion? Klingt wie zu Adolfs Zeiten.«
    »Mehr hat man uns nicht gesagt. Wir sind ja bloß Schupos. Aber es ist doch klar, um was es geht.« Er beugt sich näher zu Stave, blickt sich um, ob im Treppenhaus keine Tür einen Spalt weit geöffnet ist, flüstert: »Die Deutsche Mark. Die Geldausgabe. Was soll es sonst sein?« Er hebt die Stimme wieder, nimmt so etwas wie Haltung an. »Ich muss weiter. Habe noch Dutzende Beamte abzuklappern. Sie waren der erste auf meiner Liste.«
    »Soll ich das als Kompliment auffassen?«
    »Die alleinstehenden Kollegen sind zuerst dran, hat Cuddel Breuer befohlen. Die Familienväter sollen wir noch etwas schlafen lassen«, antwortet Ruge leichthin und tippt zum Abschied mit der Rechten an den Tschako.
    Stave zieht sich sein bestes Hemd an, die beste dunkle Hose, den Sommermantel, der für den Dauerregen eigentlich zu leicht ist, der aber eleganter wirkt als alles, was er sich sonst über die Schultern werfen könnte. Zwei wichtige Termine. Er stopft den Zettel mit der Adresse des Fahrradanbieters in die Tasche, schnürt die Schreibmaschine in mehrere Lagen Packpapier und eine zerschlissene Tischdecke, die er sowieso nie aufgelegt hat. Noch nicht einmal neun Uhr, als der Oberinspektor die Tür hinter sich abschließt. Aus der Erdgeschosswohnung von Flasch wehen Grammofonklänge ins Treppenhaus. Jazz. Das hätte ihm früher einen Besuch des Blockwarts und womöglich der Gestapo eingebracht, denkt Stave. Dann schreien zwei Kinder gleichzeitig los, das Brüllen gelangweilter Jungen, die sich vom Regen in ihrer Wohnung eingesperrt und um ihr samstägliches Herumtoben betrogen fühlen. Der Kripo-Beamte lächelt, wünscht seinem Nachbarn im Geiste Kraft für diesen Tag, schlägt den Mantelkragen hoch und marschiert die Ahrensburger Straße hinab.
    Er hat es nicht weit, quert den Eichtalpark, die Wiesen sattgrün wie englischer Rasen, die verschlammten Wege verlassen bis auf zwei junge Mütter, die mit Pelerinen verhängte Kinderwagen durch die feuchte Luft schieben. Die Oskarstraße jenseits des Parks ist eher ein Weg als eine echte Straße, übersehen von den alliierten Bombenschützen. Stave sieht zur Rechten Gründerzeithäuser, heller Putz und noch hellere, steinerne Fensterbänke, intakte Dächer, gepflegte Vorgärten. Noch ein Blick auf den inzwischen durchgeweichten Zettel, dann weiß er, dass er sich links halten muss: eine Reihe winziger Häuser, wie aneinandergeklebte Puppenstuben. Aber in einer zerbombten Stadt verwandeln sich selbst solche bescheidenen Bleiben in eine Bastion der Wohlanständigkeit.
    Der

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