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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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bestanden. Die Fliegerangriffe wurden immer häufiger, es erschien ihm sicherer, mich auf den Familiengutshof zurückzuschicken.« Sie guckt ihn traurig an. »Um den amerikanischen Bombern zu entfliehen, wäre ich beinahe der Roten Armee in die Arme gelaufen. Ich bin gerade eben aus dem Osten entkommen, aber diesen Teil meiner Geschichte kennst du schon.«
    »Und dein Gatte ist in Berlin geblieben?« Stave fällt ein, dass sein eigener Sohn vielleicht an der Seite von Annas Mann gekämpft haben könnte.
    »Bis zum bitteren Ende. Ich dachte, er wäre im Mai 1945 gestorben. Das hat zumindest ein ehemaliger Kollege aus dem Auswärtigen Amt behauptet. Klaus von Gudow gilt seither offiziell als verschollen, Schicksal unklar, keine Grabstelle.«
    »Ein tragisches Schicksal – oder ein praktisches. Wenn man im Judenreferat des Auswärtigen Amtes gearbeitet hat und weiß, dass einen die Alliierten suchen und einem einen Platz unter dem Galgen freihalten würden.«
    »Ich habe kurz nach meiner Ankunft in Hamburg tatsächlich einmal Besuch von einem älteren englischen Offizier bekommen. Sehr höflich, sehr taktvoll. Wahrscheinlich ein Kamerad deines Freundes MacDonald. Zuerst dachte ich, er interessiert sich für Antiquitäten.« Sie lacht freudlos auf. »Er interessierte sich für menschliche Antiquitäten. Erst durch seine Fragen ist mir klar geworden, für welche Dinge Klaus verantwortlich war. Ich fühlte mich«, sie ringt um das richtige Wort, »schmutzig, betrogen, entehrt. Ich stand vor diesem höflichen englischen Offizier wie eine Räuberbraut dar. Ich war schlimmer als eine Räuberbraut. Die Gattin eines Massenmörders, eine reichlich naive Person noch dazu. Ich weiß bis heute nicht, ob mich der Offizier eher bemitleidet hat, oder ob er mich wegen meiner Ahnungslosigkeit verachtete. Wie auch immer: Er erkundigte sich nach dem Verbleib meines Mannes. Ich dachte, dass ich Witwe sei, und war deshalb überrascht. Andererseits, was wusste ich schon? Der Engländer ist auf jeden Fall nie wiedergekommen. Ich habe meinen Mädchennamen angenommen und wollte die Geschichte vergessen. Meinen Mann, seine Arbeit, die Zeit in Berlin, alles.«
    »Aber die Geschichte vergaß dich nicht.«
    Anna nickt bekümmert. »Eines Tages schob jemand einen Zettel unter meine Wohnungstür – kurz nachdem ich die Bleibe in der Röperstraße gefunden hatte. Ich habe nie herausgefunden, wer es war. Es war ein Brief aus einem italienischen Kloster. Von meinem Mann. Er versteckt sich dort, bis er an Bord eines Frachters gehen kann. Nach Argentinien.«
    »Wie ist er vom belagerten Berlin in ein italienisches Kloster gekommen?«
    »Das hat er nicht geschrieben. Er hat nur ominöse ›Helfer‹ erwähnt – Helfer, die auch mir beistehen würden, wenn ich wollte. Die mich nach Italien schmuggeln würden. Und die eine Schiffspassage gebucht hätten, für eine Frau mit Papieren auf einen neuen Namen, Papieren, in die mein Foto schon eingeklebt sei.«
    Stave hält den Atem an. »Wirst du gehen?«
    Da lacht sie, schüttelt den Kopf, fasst kurz seine Hand. »Der Brief ist doch schon vor Monaten angekommen. Zu einer Zeit, als ich bereits einen anderen Mann liebte. Einen Mann allerdings, der dann von seiner eigenen Geschichte eingeholt worden ist.«
    »Ein Mann, der dich einmal wie ein Spitzel verfolgt und dich dabei beobachtet hat, wie du in einem Juweliergeschäft in den Colonnaden einen Ehering zurückgekauft hast«, gesteht er.
    Anna dreht den Ring auf dem Tisch, so vorsichtig, als könnte er jederzeit explodieren. »Ich wäre niemals mit Klaus nach Argentinien geflohen. Selbst wenn ich dich nicht gekannt hätte. Nach allem, was ich jetzt über ihn weiß, möchte ich ihn nie wieder sehen. Allein der Gedanke an ihn lässt mich schaudern. Aber als ich diesen Brief erhalten habe, bekam ich Angst: Ich hatte dem englischen Offizier gesagt, dass ich Klaus für tot hielt. Ich hatte meinen Mädchennamen angenommen, jeder in Hamburg kannte mich nur so. Was, wenn Klaus erwischt wird, auf dem Schiff oder irgendwann in Argentinien? Was, wenn es in Hamburg Spuren gibt, die auf ihn weisen – und damit auch auf mich?«
    Stave schließt die Augen. »Was bin ich für ein Idiot«, flüstert er.
    Anna schüttelt den Kopf, verwundert über sich selbst. »Ich hatte meinen Ehering längst versetzt. Aber auf der Innenseite steht sein Name eingraviert. Und meiner. Und das Datum unserer Hochzeit. Was hätte ein Lieutenant MacDonald daraus gemacht, wenn er diesen Ring je

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