Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
einmal die Häuptlinge kennt.«
Stave erinnert sich an die Wandmalereien im Haus des Schiebers an der Ostsee und fragt sich, was ein Herr Professor Kitt wohl dazu sagen würde. »Lohnt es sich, über Sammler zu forschen?«, fragt er, schon ohne große Hoffnung.
»Noch weniger.«
»Doktor Alfred Schramm?«
»Ah«, murmelt der Gelehrte und schnalzt mit der Zunge, als hätte er ein raffiniertes Abendessen erwähnt. »Ein Mäzen. Ein Freund des Warburginstitutes.«
»Sie kennen ihn?«
»Flüchtig. Ich war wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut, als Schramm dort gelegentlich vorbeisah. Er förderte unsere Arbeit. Ideell. Und«, Kitt räuspert sich, »auch materiell. Aber ich war seinerzeit nicht … etabliert genug, um von Doktor Schramm wahrgenommen zu werden. Und dann war ich ja einige Jahre nicht in Deutschland.«
»Gibt es einen Kollegen, der mir mehr über Schramm verraten könnte?«
»Da gibt es mehrere, aber nicht in Hamburg. Die Mitarbeiter des Warburginstitutes, die fähigeren jedenfalls und diejenigen, die sich für die Kunst interessierten, die auch Schramm interessierte, die gingen nach 1933 ins Ausland. Die meisten lehren heute in Oxford oder irgendwo in Amerika. Außerdem war Schramm sowieso nicht so häufig im Institut und fast nie in der Universität. Er hatte dafür seine Leute.«
»Seine Leute?«
Kitt räuspert sich. »Doktor Schramm ließ einige seiner Mitarbeiter als Gasthörer der Philosophischen Fakultät einschreiben, damit sie Kunstgeschichte und verwandte Fächer belegen konnten. Eigentlich waren das Prokuristen und solche Leute.« Kitt gelingt es nicht, seine Verachtung ganz zu verbergen. »Aber er vertraute ihnen. Und er wollte, dass sie ihn auch in Kunstdingen berieten. Oder vielleicht wollte er sich in seiner Bank auch bloß mit Mitarbeitern umgeben, mit denen er nicht nur Kredite und Bilanzen bereden konnte, sondern auch eine intelligente Konversation zu pflegen vermochte. Jedenfalls waren stets ein, zwei Herren aus dem Bankhaus hier in diesem Hörsaal, in dem Sie und ich gerade stehen. Die Dozenten sahen das nicht so gerne, aber Herr Doktor Schramm war nun mal ein Mäzen, da sagt man nicht nein.«
»Schickte Schramm auch Juden?«, fragt Stave, dem plötzlich eine Idee kommt.
Der Professor blickt ihn einen Moment lang an, als hätte er den Namen eines peinlichen Verwandten ausgesprochen. »Vermutlich. Es gab da immer gewisse Gerüchte über eine Art Judenfreundschaft des Herrn Doktor Schramm. Und einige seiner Mitarbeiter erschienen schon im Frühjahr 1933 nicht mehr an der Universität. Das lässt gewisse Rückschlüsse zu, nehme ich an.«
»Namen?«
»Das waren doch bloß Gasthörer!«, ruft Professor Kitt, als würde das alles erklären.
»Danke«, murmelt Stave und strebt zum Ausgang. Könnte der unbekannte Tote mit dem Judenstern aus dem Reimershof einer von Schramms kunstsinnigen Mitarbeitern sein? Jemand, der in der Bank arbeitete, aber von seinem Chef an die Universität geschickt wurde? Jemand, der nach 1933 als eine Art Hüter verbotener Schätze im Reimershof wachte? Aber wenn es so ist: Warum sagt Schramm nichts? Warum leugnet er alles? An der Tür dreht er sich noch einmal um. »Sind die Namen der Gasthörer irgendwo verzeichnet?«
Kitt, der seine Unterlagen umständlich in eine Aktentasche schaufelt, blickt irritiert auf. »Die alten Studentenverzeichnisse haben sich bei irgendeinem Bombenangriff in Asche verwandelt.«
Vor dem Hauptgebäude geht Stave mit geschultertem Rad die Treppe hinunter, als er Karl erblickt. Er hat genau auf einen solchen Zufall gehofft. Ein Grund, der ihn ebenso an die Universität getrieben hat wie die Idee, einen Kunsthistoriker zu befragen. Sein Sohn. Wie viele Studenten arbeiten wieder hier? Viertausend? Fünftausend? So unwahrscheinlich ist es nicht, unter ihnen ein bekanntes Gesicht zu entdecken. Und er hat tatsächlich Glück gehabt.
Karl blickt ihn überrascht an. Er hat einen zerschlissenen, umgefärbten Wehrmachtsmantel gegen den Regen über ein Notizheft gebreitet, das er an der Seite trägt. Neben ihm humpelt an Krücken ein junger Mann die Treppe hoch, dem der rechte Unterschenkel fehlt. »Du ermittelst hier?«, fragt sein Sohn.
»Zufall«, lügt Stave und hofft, nicht dabei ertappt zu werden. Sein Herz schlägt rascher. Er erzählt in knappen Worten von seiner Unterredung mit Professor Kitt. Gleichzeitig rasen seine Gedanken: Karl ist an der Universität! Er wagt nicht, nach dem Fach zu fragen.
»Und das Fahrrad?«,
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