Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
»Da durften Juden so etwas nicht mehr sein.«
»Was war er dann?«
»Wir haben ihn nicht gefragt.«
»Sie haben sich nicht darüber gewundert, dass jemand bei Ihnen vorbeikam und heimlich ein Werk ›entarteter Kunst‹ kaufen wollte? Ein Jude zudem?«
»Die letzten Drehtage sind immer besonders hektisch. Da hat man andere Dinge im Kopf. Ich hatte am gleichen Tag noch einen Termin beim Reichsminister für Propaganda. Mir war die Sache peinlich. Ich habe gesagt: ›Gut, machen wir, aber verschwinden Sie rasch wieder.‹ Was der Herr auch tat.«
»Gibt es einen Kaufvertrag? Eine Quittung?«
»Wo waren Sie in der Zeit? Im Ausland? Man verkaufte doch 1938 keinem Juden verbotene Kunst und ließ sich das auch noch quittieren.«
Stave schweigt und erinnert sich an das, was ihm Professor Kitt gesagt hatte: an die Mitarbeiter, die Schramm ausschickte, manche davon Juden. Spezialisten, die für ihn agierten. Hat nicht der Bankier selbst einen Rosenthal erwähnt? »Sagt Ihnen der Name Schramm etwas?«
»Nie gehört.« Auch Kristina Söderbaum schüttelt den Kopf.
Ein Nachbar beinahe, denkt der Oberinspektor, der lebt kaum hundert Meter weiter, wenigstens so hätten sie vom Bankier hören müssen. Andererseits: Harlan und seine Gattin wohnen erst seit Kriegsende an der Alster, und ihr Haus verlassen sie sicherlich nicht allzu häufig.
»Toni Weber?«, fragt er.
»Jemand aus der Filmbranche? Ich meine, den Namen schon mal gehört zu haben. Wobei der ja auch nicht wirklich selten ist, oder?«
Stave ignoriert Harlan, blickt Kristina Söderbaum an. Naiv, verletzlich, ganz wie in ihren Filmen. Wenn ich sie zu hart anfasse, wird sie in die Alster gehen, denkt er. »Können Sie mir noch mehr zu diesem Herrn Rosenthal sagen?«
»Der war vierzig oder fünfzig Jahre alt. Dünn. Ein wenig nervös.« Sie denkt nach. »Alliteration!«, ruft sie plötzlich. »Sein Vorname, ich erinnere mich, als er sich vorgestellt hat: Rolf Rosenthal. Und er hat gehinkt. Hatte einen Klumpfuß wie der Goebbels, bloß irgendwie eleganter. Aber das ist für Sie wahrscheinlich nicht so wichtig.« Sie errötet erneut.
»Doch«, murmelt Stave und eine Welle ungewollter Dankbarkeit für Kristina Söderbaum durchflutet ihn. »Doch, das ist für mich wichtig.«
»Sind Sie zufrieden?«, fragt MacDonald, als sie wieder in den Jeep steigen.
»Ich habe ein Problem gelöst und mir dafür andere eingehandelt«, erwidert Stave vorsichtig.
»Klingt wie eine typische Army-Aktion.«
Der Kripo-Mann berichtet dem Lieutenant von Schramms Mitarbeitern, die an der Universität in Kunstgeschichte fortgebildet worden sind. »Alles passt: Ich kann für den unbekannten Toten und für den Bronzekopf die Geschichte rekonstruieren. Toni Weber erschafft die Skulptur als Porträt einer Schauspielerin in den zwanziger Jahren. Die Nazis ächten das Werk als ›entartete Kunst‹, es verschwindet schließlich im Depot des Propagandaministeriums – wie Tausende weitere Objekte auch. Dort wird es wieder hervorgekramt, als Requisite für einen Film, den Veit Harlan 1938 dreht. Bevor der Kopf zurückgegeben werden kann, taucht Rolf Rosenthal im Studio auf und kauft die Bronze, was illegal ist, aber für Harlan vermutlich ziemlich lukrativ. Schließlich hat er sich gratis bei Goebbels bedienen können und bekommt nun vielleicht ein paar hundert, vielleicht gar mehrere tausend Reichsmark, bar, steuerfrei. Wer ist dieser Rolf Rosenthal? Wir wissen von Bankier Schramm, dass er seine Mitarbeiter in Kunstdingen ausbildet, auch Juden noch nach 1933. Schramm selbst hat mir in einer Befragung beiläufig einen Juden genannt, der sein Vertrauter gewesen sei: ein Rosenthal. Sicher, der Name war früher häufig, aber das ist doch eine seltsame Parallele, oder? Der Tote, den wir neben dem Kunstwerk gefunden haben, trug Reste eines Judensterns, hatte ein Papier bei sich, das auf einen Mann mit dem Vornamen ›Rolf‹ ausgestellt ist, und hat einen verkrüppelten Fuß. Da zudem die Skulptur der Anni Mewes auf einem Foto zu sehen ist, das einige Wochen nach Beendigung des Films in Schramms Villa entstanden ist, bleibt nur eine Schlussfolgerung.«
»Rolf Rosenthal ist ein Abgesandter des Kunstsammlers Schramm, der für diesen verfemte Werke kauft, sodass Schramm selbst, der ja schon Ärger mit der Gestapo hat, diskret im Hintergrund bleiben kann«, ergänzt MacDonald.
Der Kripo-Beamte lächelt müde. »Warum leugnet Schramm alles? Er behauptet, den Bronzekopf nicht zu kennen. Und kein Wort zum
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