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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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er sich ans Klavier setzte. Übertrieben. So gut spielt nun
    wirklich keiner.
Außer mir warteten noch drei Paare auf leere Tische. Sie stellten sich alle auf die Zehen, um
    Ernie sehen zu können. Er hatte einen großen Spiegel vor sich am Klavier, so daß jedermann sein
    Gesicht beobachten konnte, während er spielte.
Die Finger sah man nicht - nur sein breites Gesicht.
Überwältigend. Ich weiß nicht mehr genau, was er gerade spielte, als ich hereinkam, aber
    jedenfalls stank es zum Himmel.
Er flocht lauter blöde Kinkerlitzchen in die obersten Oktaven hinein und machte noch andere
    Virtuosenstücke, von denen ich Bauchweh bekomme. Man hätte den Erfolg sehen sollen, als er
    aufhörte. Zum Kotzen. Sie wurden vollkommen verrückt. Es waren genau dieselben Idioten, die im
    Kino wie Hyänen über etwas lachen, das überhaupt nicht witzig ist. Wenn ich Pianist oder
    Schauspieler oder sonst etwas wäre und alle diese Esel mich für fabelhaft halten würden, könnte
    ich das nicht vertragen.
Ich möchte nicht einmal, daß sie auch nur klatschen würden.
Die Leute klatschen immer für das Verkehrte. Wenn ich Pianist wäre, würde ich im Klosett
    Klavier spielen.
Als Ernie aufhörte und alle wie besessen klatschten, drehte er sich auf seinem Hocker um und
    antwortete mit einer affektiert bescheidenen Verbeugung. Als ob er nicht nur ein kolossaler
    Pianist wäre, sondern auch ein furchtbar bescheidener Mensch.
Schöne Heuchelei, wenn man wußte, was für ein Snob er war.
Sonderbarerweise tat er mir zwar auch leid. Ich glaube, er weiß nicht einmal mehr, ob er
    richtig oder falsch spielt. Daran ist nicht nur er schuld. Zum Teil gebe ich allen den Eseln
    die Schuld, die so irrsinnig applaudieren - sie können jeden verderben, wenn man ihnen
    Gelegenheit dazu gibt. Jedenfalls wurde ich wieder deprimiert und elend deswegen und hätte
    beinah meinen Mantel geholt, um ins Hotel zurückzugehen, aber es war mir noch zu früh, und ich
    hatte keine Lust, ganz allein zu sein.
Endlich gab man mir einen miserablen Tisch an der Wand, hinter einem verdammten Pfeiler, wo man
    überhaupt nichts sehen konnte. Diese hinteren Tische waren winzig und standen so eng
    aneinander, daß man sozusagen auf den Stuhl klettern mußte, wenn die Leute am Nebentisch nicht
    Platz machten - und das tun diese Lümmel ja nie. Ich bestellte wieder Whisky mit Soda, das ist
    - nach Daiquiris mein Lieblingsgetränk. Bei Ernie bekam man auch als Sechsjähriger Alkohol; der
    Raum war sehr dunkel, und außerdem kümmerte sich ohnedies niemand darum, wie alt man war. Man
    hätte sogar Rauschgift zu sich nehmen können, ohne aufzufallen.
Weit und breit nur Idioten. Im Ernst. An dem winzigen Tischchen links von mir, beinahe auf
    meinem Ellbogen, saß ein komischer Vogel mit seinem komischen Mädchen. Vielleicht waren sie
    etwas älter als ich, aber nicht viel. Sie amüsierten mich. Sie paßten höllisch auf, um nur
    nicht zu rasch das Trinkzwang-Minimum auszutrinken. Ich hörte ihrer Unterhaltung eine Weile zu,
    da ich nichts anderes zu tun hatte.
Er erzählte ihr von einem Fußballmatch, bei dem er nachmittags gewesen war. Ich übertreibe
    nicht, daß er jede verdammte Einzelheit des ganzen Spiels schilderte. Er war der langweiligste
    Mensch, dem ich je zugehört habe. Und sein Mädchen interessierte sich nicht im geringsten für
    Fußball, das sah man deutlich.
Aber da sie sogar noch armseliger aussah als er, mußte sie wohl zuhören, ob sie wollte oder
    nicht.
Richtig häßliche Mädchen haben es schwer. Manchmal tun sie mir furchtbar leid. Manchmal kann
    ich ihren Anblick kaum ertragen, besonders wenn sie mit irgendeinem Hohlkopf zusammensitzen,
    der ihnen alle Einzelheiten von einem verdammten Fußballmatch erzählt. Auf meiner rechten Seite
    war die Konversation aber noch schlimmer. Da saß ein typischer Yale-Student in grauem
    Flanellanzug und karierter Weste. Alle diese Esel von der Ivy League sehen sich ähnlich.
Mein Vater will mich nach Yale oder vielleicht auch nach Princeton schicken, aber nicht einmal,
    wenn ich am Sterben wäre, würde ich auf ein so snobistisches College gehen, das schwöre ich.
    Dieser Yale-Mensch hatte ein fabelhaftes Mädchen bei sich. Junge, sie sah wirklich phantastisch
    aus. Aber ihre Unterhaltung hätte man hören sollen. Beide hatten leichte Schlagseite. Er
    fummelte unter dem Tisch an ihr herum und erzählte ihr gleichzeitig von irgendeinem in seinem
    College, der einen Haufen Aspirin geschluckt hatte und fast umgekommen

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