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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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niemand entdecken konnte. Ihm
    bekam es schlecht, aber mir war kaum etwas anzumerken. Ich wurde nur sehr kühl und nonchalant.
    Ich übergab mich, bevor ich ins Bett ging, aber ich hätte nicht einmal das zu tun brauchen; ich
    zwang mich dazu.
Als ich in eine Bar einschwenken wollte, kamen zwei schwer betrunkene Kerle heraus und wollten
    wissen, wo die Untergrundbahn sei. Einer sah wie ein Kubaner aus und hauchte mir fortwährend
    seinen stinkenden Atem ins Gesicht, während ich ihm den Weg beschrieb. Danach ging ich
    überhaupt nicht in die verdammte Bar hinein, sondern zum Hotel.
Die Halle war ganz leer. Es roch nach fünfzig Millionen kalten Zigaretten. Ich war noch nicht
    zum Schlafen müde, aber irgendwie elend. Deprimiert und so. Ich wäre am liebsten tot
    gewesen.
Dann geriet ich plötzlich in eine üble Geschichte.
Als ich nämlich in den Lift ging, fragte der Hotelangestellte: »Haben Sie heute abend noch
    Interesse an einem Späßchen?«
»Was meinen Sie damit?« fragte ich. Ich hatte keine Ahnung, auf was er hinauswollte.
»Soll ich Ihnen 'ne Kleine ins Zimmer schicken?«
»Mir?« sagte ich. Das war eine dumme Antwort, aber es ist ziemlich verwirrend, wenn einem
    jemand plötzlich mit einer solchen Frage auf den Leib rückt.
»Wie alt sind Sie?« fragte er.
»Warum?« sagte ich. »Zweiundzwanzig.«
»Hm. Also was? Interessieren Sie sich? Fünf Dollar für einmal. Fünfzehn für die ganze Nacht.«
    Er schaute auf seine Armbanduhr. »Bis zwölf Uhr mittags. Fünf Dollar für einmal, fünfzehn bis
    zwölf Uhr.«
»O. K.«, sagte ich. Es war gegen meine Prinzipien, aber ich war so deprimiert, daß ich gar
    nicht nachdachte. Das ist eben das Schlimme daran. Wenn man sehr deprimiert ist, kann man
    nichts mehr denken.
»Was heißt O. K.? Einmal oder bis mittags? Das muß ich wissen.«
»Einmal.«
»Schön, in welchem Zimmer sind Sie?«
Ich schaute auf das rote Schild an meinem Schlüssel.
»Zwölfzweiundzwanzig«, sagte ich. Ich bereute schon halb, daß ich mich so weit eingelassen
    hatte, aber jetzt war es zu spät.
»Schön, ich schicke ungefähr in einer Viertelstunde eine hinauf.« Er machte die Lifttür auf und
    ließ mich aussteigen.
»He, ist sie hübsch?« fragte ich. »Ich will kein altes Scheusal.«
»Kein altes Scheusal. Machen Sie sich keine Sorgen, Chef.«
»Wem soll ich das Geld geben?«
»Ihr«, sagte er. »Also abgemacht, Chef.« Damit schlug er die Lifttür zu, direkt vor meiner
    Nase.
Ich ging in mein Zimmer und versuchte mich mit Wasser zu kämmen, aber man kann mit
    kurzgeschnittenen Haaren nicht viel machen. Dann untersuchte ich, ob ich nach all den
    Zigaretten und den drei Whiskies, die ich bei Ernie getrunken hatte, schlecht aus dem Mund
    röche. Man braucht nur die Hand unter den Mund zu halten und den Atem zur Nase hinauf zu
    hauchen. Ich bemerkte keinen Gestank, aber ich putzte mir trotzdem die Zähne. Dann zog ich
    wieder ein frisches Hemd an.
Ich wußte zwar, daß ich mich für eine Nutte nicht besonders fein zu machen brauchte, aber ich
    konnte mich auf diese Weise wenigstens beschäftigen. Ich war ein bißchen nervös. Ich wurde zwar
    allmählich ziemlich sexy, aber nervös war ich doch. Ich war noch unschuldig, falls jemand die
    Wahrheit interessiert.
Tatsächlich. Ich hatte schon ein paarmal Gelegenheit gehabt, meine Unschuld zu verlieren, aber
    bisher war ich noch nie so weit gekommen. Irgend etwas kommt immer dazwischen. Wenn man zum
    Beispiel bei einem Mädchen zu Hause ist, kommen die Eltern im falschen Moment heim - oder man
    hat Angst, daß sie kommen könnten. Oder wenn man hinten in irgendeinem Auto sitzt, ist sicher
    vorne ein anderes Mädchen, das sich immer umdreht und absolut wissen will, was in dem ganzen
    verdammten Auto vorgeht. Jedenfalls kommt immer etwas dazwischen. Einmal war ich allerdings nah
    daran. Aber meistens, wenn man nah dran ist - mit einem Mädchen, die keine Nutte ist oder so,
    meine ich -, sagt sie, man solle aufhören.
Mein Fehler ist, daß ich dann wirklich aufhöre. Die meisten andern hören nicht auf, aber ich
    kann das nicht. Man weiß nie, ob die Mädchen wirklich wollen, daß man aufhört, oder ob sie
    Angst haben, oder ob sie einfach nur sagen, man solle aufhören, damit man selber schuld ist und
    nicht sie. Jedenfalls höre ich immer auf. Mein Fehler ist, daß sie mir leid tun. Die meisten
    Mädchen sind so dumm, meine ich. Wenn man sie eine Weile lang küßt und so weiter, kann man
    sozusagen zusehen, wie sie den Verstand verlieren.
Sobald

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