Der Faenger im Roggen - V3
niemand entdecken konnte. Ihm
bekam es schlecht, aber mir war kaum etwas anzumerken. Ich wurde nur sehr kühl und nonchalant.
Ich übergab mich, bevor ich ins Bett ging, aber ich hätte nicht einmal das zu tun brauchen; ich
zwang mich dazu.
Als ich in eine Bar einschwenken wollte, kamen zwei schwer betrunkene Kerle heraus und wollten
wissen, wo die Untergrundbahn sei. Einer sah wie ein Kubaner aus und hauchte mir fortwährend
seinen stinkenden Atem ins Gesicht, während ich ihm den Weg beschrieb. Danach ging ich
überhaupt nicht in die verdammte Bar hinein, sondern zum Hotel.
Die Halle war ganz leer. Es roch nach fünfzig Millionen kalten Zigaretten. Ich war noch nicht
zum Schlafen müde, aber irgendwie elend. Deprimiert und so. Ich wäre am liebsten tot
gewesen.
Dann geriet ich plötzlich in eine üble Geschichte.
Als ich nämlich in den Lift ging, fragte der Hotelangestellte: »Haben Sie heute abend noch
Interesse an einem Späßchen?«
»Was meinen Sie damit?« fragte ich. Ich hatte keine Ahnung, auf was er hinauswollte.
»Soll ich Ihnen 'ne Kleine ins Zimmer schicken?«
»Mir?« sagte ich. Das war eine dumme Antwort, aber es ist ziemlich verwirrend, wenn einem
jemand plötzlich mit einer solchen Frage auf den Leib rückt.
»Wie alt sind Sie?« fragte er.
»Warum?« sagte ich. »Zweiundzwanzig.«
»Hm. Also was? Interessieren Sie sich? Fünf Dollar für einmal. Fünfzehn für die ganze Nacht.«
Er schaute auf seine Armbanduhr. »Bis zwölf Uhr mittags. Fünf Dollar für einmal, fünfzehn bis
zwölf Uhr.«
»O. K.«, sagte ich. Es war gegen meine Prinzipien, aber ich war so deprimiert, daß ich gar
nicht nachdachte. Das ist eben das Schlimme daran. Wenn man sehr deprimiert ist, kann man
nichts mehr denken.
»Was heißt O. K.? Einmal oder bis mittags? Das muß ich wissen.«
»Einmal.«
»Schön, in welchem Zimmer sind Sie?«
Ich schaute auf das rote Schild an meinem Schlüssel.
»Zwölfzweiundzwanzig«, sagte ich. Ich bereute schon halb, daß ich mich so weit eingelassen
hatte, aber jetzt war es zu spät.
»Schön, ich schicke ungefähr in einer Viertelstunde eine hinauf.« Er machte die Lifttür auf und
ließ mich aussteigen.
»He, ist sie hübsch?« fragte ich. »Ich will kein altes Scheusal.«
»Kein altes Scheusal. Machen Sie sich keine Sorgen, Chef.«
»Wem soll ich das Geld geben?«
»Ihr«, sagte er. »Also abgemacht, Chef.« Damit schlug er die Lifttür zu, direkt vor meiner
Nase.
Ich ging in mein Zimmer und versuchte mich mit Wasser zu kämmen, aber man kann mit
kurzgeschnittenen Haaren nicht viel machen. Dann untersuchte ich, ob ich nach all den
Zigaretten und den drei Whiskies, die ich bei Ernie getrunken hatte, schlecht aus dem Mund
röche. Man braucht nur die Hand unter den Mund zu halten und den Atem zur Nase hinauf zu
hauchen. Ich bemerkte keinen Gestank, aber ich putzte mir trotzdem die Zähne. Dann zog ich
wieder ein frisches Hemd an.
Ich wußte zwar, daß ich mich für eine Nutte nicht besonders fein zu machen brauchte, aber ich
konnte mich auf diese Weise wenigstens beschäftigen. Ich war ein bißchen nervös. Ich wurde zwar
allmählich ziemlich sexy, aber nervös war ich doch. Ich war noch unschuldig, falls jemand die
Wahrheit interessiert.
Tatsächlich. Ich hatte schon ein paarmal Gelegenheit gehabt, meine Unschuld zu verlieren, aber
bisher war ich noch nie so weit gekommen. Irgend etwas kommt immer dazwischen. Wenn man zum
Beispiel bei einem Mädchen zu Hause ist, kommen die Eltern im falschen Moment heim - oder man
hat Angst, daß sie kommen könnten. Oder wenn man hinten in irgendeinem Auto sitzt, ist sicher
vorne ein anderes Mädchen, das sich immer umdreht und absolut wissen will, was in dem ganzen
verdammten Auto vorgeht. Jedenfalls kommt immer etwas dazwischen. Einmal war ich allerdings nah
daran. Aber meistens, wenn man nah dran ist - mit einem Mädchen, die keine Nutte ist oder so,
meine ich -, sagt sie, man solle aufhören.
Mein Fehler ist, daß ich dann wirklich aufhöre. Die meisten andern hören nicht auf, aber ich
kann das nicht. Man weiß nie, ob die Mädchen wirklich wollen, daß man aufhört, oder ob sie
Angst haben, oder ob sie einfach nur sagen, man solle aufhören, damit man selber schuld ist und
nicht sie. Jedenfalls höre ich immer auf. Mein Fehler ist, daß sie mir leid tun. Die meisten
Mädchen sind so dumm, meine ich. Wenn man sie eine Weile lang küßt und so weiter, kann man
sozusagen zusehen, wie sie den Verstand verlieren.
Sobald
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