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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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zusammen. Man braucht
    nicht immer physisch miteinander zu tun haben, um ein Mädchen kennenzulernen.
Der Anfang war so: Ihr Dobermannpinscher kam immer in unsern Garten, um auf dem Rasen seine
    Geschäfte zu machen, und meine Mutter ärgerte sich furchtbar darüber. Sie rief Janes Mutter an
    und machte ihr großen Stunk. Aus so etwas kann meine Mutter immer eine Tragödie machen. Als ich
    Jane ein paar Tage später beim Schwimmbassin auf dem Bauch liegen sah - im Club -, begrüßte ich
    sie. Ich wußte, daß sie neben uns wohnte, aber ich hatte noch nie mit ihr gesprochen. Sie
    machte ein eisiges Gesicht. Ich überzeugte sie mühsam davon, daß es mir selbst absolut
    gleichgültig sei, wo zum Kuckuck ihr Hund seine Geschäfte besorge. Er könne es von mir aus auch
    im Wohnzimmer tun, sagte ich. Jedenfalls, wir wurden Freunde und so. Ich spielte noch am
    gleichen Nachmittag Golf mit ihr. Sie verlor acht Bälle. Acht. Ich brachte sie kaum dazu, daß
    sie wenigstens die Augen aufmachte, wenn sie den Ball abschlug.
Immerhin verbesserte ich ihre Technik ganz erheblich. Ich spiele sehr gut Golf. Wenn ich sagen
    wollte, mit wie wenigen Schlägen ich die ganze Runde mache, würde man es mir kaum glauben.
    Einmal wäre ich fast in einem Kurzfilm aufgetreten, aber im letzten Augenblick entschloß ich
    mich anders. Wenn mir das Kino so verhaßt ist und ich trotzdem in einem Kurzfilm mitmachen
    würde, wäre ich ein schöner Heuchler, dachte ich.
Jane war ein sonderbares Mädchen. Ich würde sie im strengen Sinne nicht als schön
    bezeichnen.
Aber ich war trotzdem von ihr begeistert. Wenn sie über etwas redete und dabei aufgeregt wurde,
    bewegten sich ihre Lippen in fünfzig Richtungen gleichzeitig. Das wirft mich um.
Sie machte den Mund überhaupt nie ganz zu. Er stand immer ein bißchen offen, besonders wenn sie
    Golf spielte oder las. Sie las die ganze Zeit, und zwar sehr gute Bücher. Einen Haufen Gedichte
    und so weiter.
Sie war der einzige Mensch außerhalb meiner Familie, dem ich Allies Baseball- Handschuh mit den
    Gedichten zeigte. Sie hatte Allie nicht mehr kennengelernt, weil sie in diesem Sommer zum
    erstenmal nach Maine kam - früher waren sie in Cape Cod -, aber ich erzählte ihr viel von ihm.
    Sie interessierte sich für solche Sachen.
Meine Mutter hatte Jane nicht besonders gern. Sie meinte immer, Jane und ihre Mutter wollten
    sie von oben herab behandeln, wenn sie ihr nicht guten Tag sagten. Meine Mutter sah sie oft
    beim Einkaufen, weil Jane immer mit ihrer Mutter in einem La-Salle-Kabriolett auf den Markt
    fuhr. Meine Mutter fand Jane nicht einmal hübsch. Aber ich war andrer Ansicht. Sie gefiel mir
    einfach.
Ich erinnere mich an einen Samstag nachmittag, an dem wir - das war das einzige Mal - uns sogar
    beinah geküßt hätten. Es regnete in Strömen, und ich war bei ihr drüben auf dem großen
    überdeckten Sitzplatz vor ihrem Haus. Wir spielten Dame. Ich neckte sie oft, weil sie immer
    ihre Damen am Rand stehen ließ.
Aber ich trieb die Neckereien nie weit. Dazu hätte man bei Jane keine Lust gehabt. Komisch, am
    liebsten habe ich es eigentlich, wenn man ein Mädchen wahnsinnig necken kann, aber bei den
    Mädchen, die mir am besten gefallen, habe ich nie besondere Lust dazu.
Manchmal spürt man, daß sie sich gerne necken lassen würden - man weiß es ganz genau -, aber es
    ist schwierig, damit anzufangen, wenn man sie schon länger kennt und sie nie geneckt hat. Also
    dieser Nachmittag, an dem wir uns beinah geküßt hätten: Es regnete wie aus Kübeln, und wir
    saßen dort beim Damespiel, und plötzlich kam dieser blöde Säufer heraus, mit dem ihre Mutter
    verheiratet war, und fragte Jane, ob noch irgendwo Zigaretten im Haus wären. Ich kannte ihn
    nicht näher, aber er schien mir so ein Mensch zu sein, der nur mit einem redet, wenn er etwas
    haben will. Ich fand ihn widerlich. Jane gab keine Antwort auf seine Frage nach den Zigaretten.
    Er wiederholte die Frage, aber sie gab immer noch keine Antwort.
Sie schaute überhaupt nicht auf. Schließlich ging er wieder ins Haus. Als er verschwunden war,
    fragte ich Jane, was das zu bedeuten habe. Sie wollte nicht einmal mir antworten. Sie tat so,
    als ob sie sich auf ihren nächsten Zug konzentrieren müßte.
Dann fiel plötzlich eine Träne auf das Schachbrett. Auf eines der schwarzen Felder - ich sehe
    es noch vor mir. Jane verrieb sie nur mit dem Finger auf dem Brett. Das ging mir wahnsinnig
    nah, ich weiß nicht warum. Deshalb stand ich von meinem Stuhl

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