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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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Ähnliches war. Mit jemand, der berühmt oder
    ein großes Tier war, benahm er sich aber noch viel schlimmer. Zu diesen Leuten sagte er mit dem
    breitesten, charmantesten Lächeln: »So, wie steht's in Connecticut?« oder »Wie steht's in
    Florida?«, es ist eine gräßliche Bar. Wirklich. Ich gehe allmählich überhaupt nicht mehr
    dorthin.
Da ich ziemlich früh dort ankam, setzte ich mich an die Bar - es war ziemlich voll - und
    bestellte zwei Whisky mit Soda, bevor Luce erschien. Ich stand zum Bestellen auf, damit sie
    meine Größe sehen konnten und mich nicht für einen verdammten Minderjährigen hielten. Dann
    betrachtete ich mir eine Weile lang den ganzen Kitschladen. Einer neben mir kohlte seiner Dame
    mächtig was vor. Er sagte immer wieder zu ihr, sie habe aristokratische Hände. Das warf mich
    um. Am andern Ende der Bar saßen lauter höchst zweifelhafte Knaben. Sie sahen eigentlich nicht
    äußerlich zweifelhaft aus - ich meine, sie hatten weder übertrieben lange Haare noch sonst
    etwas -, aber man wußte doch gleich Bescheid. Endlich tauchte Luce auf.
Dieser Luce. Das war einer! In Whooton hatte er das Amt gehabt, meine Schularbeiten zu
    beaufsichtigen, aber er pflegte immer nur über sexuelles Zeug zu dozieren, wenn spät abends
    eine Gruppe in seinem Zimmer versammelt war. Damit kannte er sich recht gut aus, besonders in
    bezug auf Perverse und so. Er erzählte uns immer viel von diesen krankhaften Burschen, die es
    mit Schafen machen oder sich Mädchenschlüpfer als Futter in den Hut nähen. Über Schwule und
    Lesbierinnen.
Er war über jeden Schwulen und jede Lesbierin in den Vereinigten Staaten informiert. Man
    brauchte nur irgendeinen beliebigen Namen zu erwähnen, dann teilte der gute Luce mit, ob der
    Betreffende pervers oder normal war. Oft traute ich meinen Ohren kaum, wenn er von
    Filmschauspielern und solchen Leuten redete. Lieber Gott, manche, die er als pervers
    bezeichnete, waren sogar verheiratet.
Ich sagte immer wieder: »Meinst du das wirklich von Joe Blow? Joe Blow? Dieser große, wilde
    Kerl, der immer Gangster und Cowboys spielt?« Und Luce antwortete: »Ganz gewiß.« Er sagte immer
    »ganz gewiß«. Er behauptete, es spiele keine Rolle, ob einer verheiratet oder unverheiratet
    sei. Die Hälfte aller verheirateten Männer sei pervers, nur wüßten sie es manchmal nicht. Er
    sagte, man könne von einem Tag auf den andern pervers werden, und jagte uns damit den größten
    Schrecken ein.
Ich wartete immer auf diese Verwandlung zum Schwulen bei mir. Komischerweise war aber wohl
    gerade Luce selbst ein bißchen schwul. Immer wenn man den Korridor entlangkam, sagte er:
    »Probiern Sie das doch mal an, wegen der Größe«, und dann kitzelte er einen wie verrückt.
Wenn er zum Beispiel auf die Toilette ging, ließ er immer die verdammte Tür offenstehen und schwätzte , während man sich die Zähne putzte oder sich wusch. So etwas gehört sicher
    schon in diese Richtung. Ich habe in den Schulen eine ganze Reihe von dieser Art kennengelernt,
    und alle machten mit Vorliebe solches Zeug. Deshalb hatte ich immer meine Zweifel über den
    guten Luce selber. Er war übrigens recht intelligent, das muß man sagen. Er sagte nie guten
    Tag. Als er sich zu mir setzte, sagte er statt einer Begrüßung, er könne nur ein paar Minuten
    bleiben. Er sei verabredet.
Dann bestellte er einen Martini.
»Du, ich habe einen Perversen für dich«, sagte ich. »Drüben an der Bar. Schau aber jetzt nicht
    hin. Ich habe ihn für dich reserviert.«
»Sehr witzig«, sagte er. »Typisch Caulfield. Wann wirst du wohl erwachsen?«
Ich langweilte ihn offenbar sehr. Aber er amüsierte mich. Er gehört zu den Leuten, die mich
    immer sehr amüsieren.
»Was macht dein Liebesleben?« fragte ich. Er konnte es nicht ertragen, wenn man solche Fragen
    an ihn stellte.
»Entspanne dich«, sagte er. »Mach's dir gemütlich und entspann dich, um Himmels willen.«
»Ich bin schon entspannt«, sagte ich. »Wie ist es in Columbia? Gefällt es dir?«
»Ganz gewiß. Sonst wäre ich nicht auf diese Universität gegangen.« Er konnte auch oft reichlich
    langweilig sein.
»Was studierst du?« fragte ich. »Perverse?« Ich machte nur Unsinn.
»Versuchst du vielleicht geistreich zu sein?«
»Nein, ich mache nur Spaß«, sagte ich. »Aber jetzt im Ernst, Luce. Du bist ein Intellektueller.
    Ich brauche deinen Rat. Ich bin in einer fürchterlichen -«
Er stöhnte laut. »Hör mal, Caulfield. Wenn du hier sitzen und friedlich trinken willst und

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