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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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dagegen?«
»Nein, aber zum Beispiel diese Chinesin und du. Was ist denn bei euch so Besonderes
    dran?«
»Wir wollen das Thema fallenlassen, hab ich gesagt.«
Ich wurde zu persönlich. Das sehe ich ein. Aber es gehörte zu seinen verstimmenden
    Eigenschaften, schon damals in Whooton, daß er das allerpersönlichste Zeug von einem wissen
    wollte und sich ärgerte, wenn man persönliche Fragen an ihn selber stellte. Diese
    Intellektuellen wollen nur dann ein intellektuelles Gespräch führen, wenn sie das Ganze
    beherrschen. Immer soll man schweigen, wenn sie selbst schweigen wollen. In Whooton konnte es
    Luce nicht ausstehen - das merkte man deutlich -, wenn er mit seinem sexuellen Vortrag fertig
    war und ein paar von uns noch in seinem Zimmer sitzen blieben und weiterschwätzten. Ich meine,
    die anderen Jungens und ich, in irgend jemands Zimmer. Das machte ihn wütend. Alle sollten in
    ihre Zimmer gehen und schweigen, sobald er nicht mehr die erste Geige spielte. Er hatte eben
    Angst, daß jemand etwas Gescheiteres sagen könnte als er. Er amüsierte mich wirklich.
»Vielleicht gehe ich nach China«, sagte ich. »Mein Liebesleben ist ein Elend.«
»Natürlich. Du bist eben innerlich unreif.«
»Das stimmt. Wahrhaftig, das weiß ich selber«, sagte ich. »Weißt du, an was es bei mir fehlt?
    Ich komme nie in eine richtige physische Stimmung - ich meine, wirklich in eine richtig
    physische -, wenn ich ein Mädchen nicht sehr gern habe. Ich meine, ich muß sie schon wirklich
    gern haben. Wenn das nicht so ist, dann habe ich schon gleich keine Lust mehr auf sie. Herr im
    Himmel, das kompliziert diese Sache fürchterlich für mich. Mein Liebesleben hinkt.«
»Selbstverständlich, großer Gott. Schon bei unserer letzten Begegnung habe ich dir gesagt, was
    du nötig hättest.«
»Eine Psychoanalyse, meinst du?« fragte ich. Dazu hatte er mir damals geraten. Sein Vater war
    Psychoanalytiker.
»Das ist deine Sache, großer Gott. Mich geht es wahrhaftig nichts an, was du aus deinem Leben
    machst.«
Ich sagte eine Zeitlang nichts. Ich dachte nach.
»Und wenn ich zu deinem Vater ginge und mich analysieren ließe«, sagte ich schließlich, »was
    würde er dann mit mir machen? Ich meine - was würde er mit mir machen?«
»Du lieber Himmel, gar nichts würde er mit dir machen. Er würde einfach mit dir sprechen, und
    du würdest mit ihm sprechen. Aber erst einmal würde er dir dazu verhelfen, daß du deine eigene
    Gefühlswelt erkennst.«
»Meine Gefühlswelt?«
»Ja. Dein Gefühlsleben spielt sich in... Aber ich gebe keinen Elementarkurs für Psychoanalyse.
    Wenn es dich interessiert, dann ruf ihn an und mach eine Konsultation mit ihm ab. Wenn nicht,
    dann laß es bleiben. Es könnte mir nicht gleichgültiger sein als es ist, ehrlich gesagt.«
Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. Er amüsierte mich, Herr im Himmel. »Du bist ein
    freundlicher Hund«, sagte ich. »Weißt du das?«
Er schaute auf seine Armbanduhr. »Ich muß eiligst weg«, sagte er und stand auf. »War nett, dich
    zu sehen.« Er rief den Mixer und ließ sich die Rechnungen geben.
»Du«, sagte ich, als er gerade gehen wollte. »Hat dein Vater dich auch einmal
    analysiert?«
»Mich? Warum fragst du das?«
»Ohne Grund. Aber hat er das getan?«
»Nicht eigentlich. Er hat mir dabei geholfen, mich bis zu einem gewissen Grad auszubalancieren,
    aber eine eingehendere Analyse war nicht nötig. Warum fragst du?«
»Aus keinem besonderen Grund. Ich wollte es nur wissen.«
»Schön. Nimm's nicht zu schwer«, sagte er. Er legte das Trinkgeld hin und wollte gehen.
»Trink noch eins«, sagte ich. »Bitte. Ich bin wahnsinnig allein. Im Ernst.«
Er sagte aber, er könne leider nicht bleiben. Er habe sich schon verspätet. Dann ging er
    hinaus.
Dieser Luce. Von ihm konnte man wirklich Bauchkrämpfe bekommen, aber zweifellos hatte er einen
    reichen Wortschatz.
Er hatte den größten Wortschatz von allen in Whooton, als ich dort war. Wir waren einmal
    getestet worden.

19. Kapitel
    Ich blieb sitzen und betrank mich und wartete auf Tinas und Janines Auftreten, aber sie waren
    offenbar nicht mehr da. Ein zweifelhaft aussehender Knabe mit gewellten Haaren erschien und
    spielte Klavier, und dann kam eine Sängerin namens Valencia. Gut war sie nicht, aber doch
    besser als Janine, und wenigstens sang sie gute Lieder. Der Flügel befand sich nah am Bartisch,
    wo ich saß, und Valencia stand ganz dicht bei mir. Ich warf ihr Blicke zu, aber sie tat so, als
    ob sie mich überhaupt nicht

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