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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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machte ich mich auf den Weg zur Wicker Bar, wo ich Carl Luce treffen sollte, und
    im Gehen dachte ich über den Krieg nach. Die Kriegsfilme haben immer diese Wirkung auf mich.
    Ich könnte es wohl nicht aushalten, wenn ich in den Krieg müßte. Wenn man nur eingezogen und
    erschossen würde, fände ich es nicht so schlimm, aber daß man so eine verdammte Ewigkeit beim
    Militär sein muß!
Mein Bruder D.B. war vier verdammte Jahre lang im Militärdienst. Er war auch im Krieg und
    machte die ganze Invasion und so weiter mit, aber das Militär fand er viel schlimmer als den
    Krieg, glaube ich. Ich war damals eigentlich noch ein Kind, aber ich erinnere mich gut daran,
    wie er manchmal auf Urlaub kam und dann sozusagen den ganzen Tag auf seinem Bett lag. Sogar im
    Wohnzimmer zeigte er sich fast nie. Als er später nach Europa und an die Front kam, wurde er
    nicht verwundet und brauchte auch auf niemand zu schießen, sondern er mußte nur den ganzen Tag
    irgendeinen General herumfahren. Einmal sagte er zu Allie und mir, wenn er auf jemand hätte
    schießen sollen, so hätte er nicht gewußt, in welcher Richtung er anlegen müßte, denn in der
    Armee gebe es praktisch ebenso viele Schurken wie bei den Nazis. Allie fragte ihn, ob es nicht
    wertvoll für ihn gewesen sei, den Krieg mitzumachen, weil er doch Schriftsteller sei und da
    sicher viel Stoff gefunden habe. Er sagte, Allie solle seinen Handschuh holen, und dann fragte
    er ihn, wer bessere Kriegsgedichte gemacht habe, Rupert Brooke oder Emily Dickinson. Allie
    antwortete: Emily Dickinson. Ich selber verstehe nicht viel davon, weil ich selten Gedichte
    lese, aber ich weiß ganz sicher, daß ich wahnsinnig würde, wenn ich im Militär die ganze Zeit
    mit Leuten wie Ackley und Stradlater und Maurice Zusammensein und mit ihnen marschieren müßte
    und so. Einmal war ich ungefähr eine Woche lang bei den Pfadfindern, und es war mir schon
    zuviel, daß ich den Nacken von meinem Vordermann anschauen sollte. Es hieß immer, man müsse auf
    den Nacken des Vordermannes schauen. Ich schwöre, wenn es noch einmal Krieg gibt, dann stellen
    sie mich am besten sofort an die Wand; ich hätte nichts dagegen. Aber etwas verstehe ich nicht
    an D.B. Der Krieg war ihm so verhaßt, und trotzdem gab er mir im letzten Sommer Hemingways In einem andern Land zu lesen, weil er es fabelhaft fand. Der Held war ein Leutnant
    Henry, der angeblich sehr sympathisch sein sollte.
Ich begreife nicht, wie D.B. das Militär und den Krieg hassen kann und dann noch so ein
    verlogenes Buch schön findet. Ich meine, ich verstehe zum Beispiel nicht, daß er ein so
    verlogenes Buch gern hat und dann aber auch das von Ring Lardner oder The Great
    Gatsby .
D.B. ärgerte sich, als ich das sagte, und er behauptete, ich sei eben zu jung für das Buch,
    aber das glaube ich nicht. Ich antwortete, Ring Lardner und The Great Gatsby gefalle mir
    ja sehr gut. Das stimmt auch. Von The Great Gatsby war ich ganz besessen. Dieser Gatsby.
    Davon war ich erschlagen. Jedenfalls bin ich nur froh, daß sie jetzt die Atombombe erfunden
    haben.
Wenn es wieder Krieg gibt, setze ich mich gleich oben auf die Bombe. Ich melde mich als
    Freiwilliger dafür, das schwöre ich.

18. Kapitel
    Falls einer nicht in New York lebt, die Wicker Bar befindet sich in diesem piekfeinen Hotel
    Seton. Ich ging früher oft hin, aber jetzt nicht mehr. Ich gewöhne es mir allmählich ab. Denn
    es ist ein Treffpunkt für lauter affektiertes Pack. Damals traten dort zwei Französinnen auf,
    Tina und Janine. Ungefähr dreimal an jedem Abend spielte die eine Klavier - absolut unmöglich
    -, die andere sang Chansons, die entweder reichlich anzüglich oder französisch waren. Bevor
    Janine - die singende Dame - anfing, flüsterte sie immer zuerst in das verdammte Mikrophon:
    »Und jetzt möschten wirr Ihnen unsere Impresion geben von Vulez-Vu Fransä? Es ist die
    Geschichte von eine kleine Französin, die kommt in eine große Stadt so wie New York und
    verliebt sich in eine kleine Junge von Brokklyn. Hoffentlisch gefällt es Ihnen.«
Dann sang sie höllisch kokett ein blödes Lied, halb englisch und halb französisch, und
    versetzte damit sämtliche affektierte Esel in helles Entzücken. Wenn man lang genug dabei saß
    und sich den Applaus anhörte, bekam man nur einen Haß gegen alle Menschen auf der Welt. Auch
    der Mixer an der Bar war ekelhaft. Er war ein fürchterlicher Snob und redete kaum mit jemand,
    der nicht berühmt oder ein großes Tier oder etwas

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