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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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zu
    einer ruhigen, friedlichen Unterhaltung bereit bist -«
»Schon gut, schon gut«, sagte ich, »reg dich nicht auf.«
Offensichtlich war er nicht in der Stimmung, über irgend etwas Ernsthaftes mit mir zu sprechen.
    Das ist mit diesen Intellektuellen immer so. Sie wollen nur dann über etwas Ernsthaftes reden,
    wenn sie selbst dazu aufgelegt sind. Ich begnügte mich also mit allgemeinen Themen. »Sag mir im
    Ernst, was macht dein Liebesleben?« fragte ich. »Hast du immer noch die gleiche wie damals in
    Whooton? Die mit den tollen -«
»Großer Gott, nein«, sagte er.
»Warum nicht? Was ist aus ihr geworden?«
»Keine Ahnung. Aber vermutlich, wenn du schon fragst, ist sie die Oberhure von New Hampshire
    geworden.«
»Das ist aber nicht nett. Wenn sie so anständig war und die ganze Zeit für dich hergehalten
    hat, dann solltest du wenigstens nicht in der Art über sie reden.«
»O Gott!« sagte Luce. »Soll das ein typisches Caulfield-Gespräch werden? Ich will's lieber
    gleich wissen.«
»Nein«, sagte ich, »aber jedenfalls ist das nicht nett. Wenn sie so anständig und freundlich
    war und dich -«
»Müssen wir unbedingt diese schrecklichen Gedankengänge weiterverfolgen?«
Ich schwieg. Ich fürchtete, daß er aufstehen und mich sitzenlassen könnte, wenn ich noch etwas
    davon sagte. Ich bestellte also nur einen dritten Whisky. Ich hatte Lust, mich gründlich zu
    betrinken.
»Welche hast du jetzt?« fragte ich. »Willst du mir das verraten?«
»Keine, die du kennst.«
»Aber wie heißt sie. Vielleicht kenne ich sie doch.«
»Eine von Greenwich Village. Bildhauerin. Wenn du das wissen mußt.«
»Wirklich? Im Ernst? Wie alt ist sie?«
»Das hab ich sie nie gefragt, um Himmels willen.«
»Aber wie alt ungefähr?«
»Wohl Ende Dreißig denke ich«, sagte Luce.
»Ende Dreißig? Wirklich? Hast du das gern?« fragte ich. »Hast du es gern, wenn die Frauen so
    alt sind?« Ich fragte ihn deshalb, weil er wirklich etwas von diesem Gebiet verstand. Er
    gehörte in meinem Bekanntenkreis zu den wenigen, von denen ich das wußte. Er hatte schon mit
    vierzehn Jahren seine Unschuld verloren. Tatsächlich.
»Ich schätze reife Frauen sehr, falls du das damit meinst. Ganz gewiß.«
»So? Warum? Im Ernst, eignen sie sich besser dafür?«
»Hör mal, wir wollen einen Punkt klarstellen. Ich lehne es ab, heute abend irgendwelche
    typischen Caulfield-Fragen zu beantworten. Wann zum Teufel wirst du wohl erwachsen?«
Ich schwieg wieder. Ich gab es eine Weile auf. Dann bestellte Luce einen zweiten Martini.
»Seit wann hast du denn diese Bildhauerin?« fragte ich. Es interessierte mich wirklich. »Hast
    du sie schon gekannt, als du noch in Whooton warst?«
»Das nicht. Sie kam erst vor ein paar Monaten nach Amerika.«
»Wirklich? Wo kommt sie her?«
»Von Shanghai.«
»Im Ernst? Eine Chinesin, um Himmels willen?«
»Offenbar.«
»Tatsächlich? Gefällt dir das? Daß sie eine Chinesin ist?«
»Offenbar.«
»Warum? Das interessiert mich wirklich, ganz im Ernst.«
»Ich finde eben zufällig die Philosophie des Ostens befriedigender als die westliche, wenn du
    mich schon fragst.«
»So? Was meinst du mit Philosophie ? Das Sexuelle und so? Ist das in China besser? Meinst
    du das damit?«
»Nicht unbedingt in China, großer Gott. Des Ostens , habe ich gesagt. Müssen wir dieses
    geistlose Gespräch fortsetzen?«
»Ich meine es aber ganz ernst«, sagte ich. »Warum ist das im Osten besser?«
»Das ist ein zu kompliziertes Thema, um jetzt näher darauf einzugehen, großer Gott«, sagte
    Luce. »Im Osten betrachten sie eben das Sexuelle sowohl als physisches wie geistiges Erlebnis.
    Falls du das meinst, daß ich -«
»Ich auch! Genauso betrachte ich es auch, als ein - wie hast du gerade gesagt - sowohl
    physisches wie geistiges Erlebnis. Ich denke wirklich so darüber. Aber es hängt eben davon ab,
    mit wem zum Teufel ich es zu tun habe. Wenn es eine ist, die nicht einmal -«
»Nicht so laut, um Himmels willen , Caulfield. Wenn du deine Stimme nicht dämpfen kannst,
    dann wollen wir lieber das ganze Thema-«
»Schön, aber hör mir zu«, sagte ich. Ich wurde aufgeregt und redete tatsächlich etwas zu laut.
    Manchmal schreie ich ein bißchen, wenn ich aufgeregt bin. »Ja, das meine ich auch«, sagte ich.
    »Ich weiß, es soll körperlich und geistig eine Kunst und so sein, aber ich meine, es gelingt
    nicht mit jedem, jedem Mädchen, das man küßt und so, oder gelingt es dir immer?«
»Lassen wir das Thema fallen«, sagte Luce. »Hast du etwas

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