Der Faktor X
Raumers, den sie von Zimgralds Leuten erobert hatten, den Planeten so rasch verlassen, daß sie nicht die ganze Mannschaft hatten mitnehmen können?
Nun, wie es auch war – die Unterkunft konnte eine Falle sein. Die Piraten erwarteten ganz sicher, daß verzweifelte Überlebende versuchen würden, sie zu erreichen. Wahrscheinlich hatte er also überhaupt keine Chance.
Diskan wußte, daß Julha keinen Argumenten zugänglich war. Entweder er versuchte es, oder sie würde es selbst tun. Wenn sie sich natürlich weit von dem richtigen Hügelkamm entfernt befand, bestand überhaupt keine Möglichkeit, die Hütte zu finden. Diskan erhob sich und ging wieder einmal zur Eingangsspalte hinüber – nicht, weil er erwartete, etwas zu entdecken, sondern weil er durch die Bewegung wach und aufmerksam blieb.
Als er in den kleinen Wärmekreis zurückkehrte, regte sich etwas dort, wo der Zacathan lag. Diskan eilte zu ihm. Die Augen des Echsenmenschen waren offen, und seine Lippen bewegten sich. Diskan kratzte eilig ein wenig Schnee zusammen und steckte ihn Zimgrald in den Mund. Dreimal tat er das, ehe Zimgrald den Kopf abwandte und damit andeutete, daß er nichts mehr wollte.
»Julha?« Das Flüstern war sehr schwach.
»Sie schläft«, flüsterte Diskan zurück.
»Gut. Hören Sie genau zu …« Diskan konnte förmlich mitfühlen, wie sehr ihn das Sprechen anstrengte. »Ich – werde – mich in – Tief schlaf – versetzen. Ich bin sehr schwach – es könnte Selbstmord – sein – aber – es ist – eine Möglichkeit.«
Tief schlaf? Diskan wußte nicht, was der Zacathan meinte, aber er wagte nicht, ihn mit einer Frage zu unterbrechen.
»In meinem Gürtel …« Zimgralds Hand bewegte sich unter der Decke. »Holen Sie Spiegel …«
Darauf achtend, daß er die Decke nicht verschob, tastete Diskan darunter nach der Gürteltasche. Er zog einen gelben, hochpolierten Metallspiegel hervor.
»Julha – sagen Sie – ihr – Tief schlaf. Seid vorsichtig …«
»Ja?«
»Die Tiere – sie haben – das Geheimnis, öffne ihnen – eine Tür – wenn du kannst. Jetzt – halte – den Spiegel.«
Zimgrald schien wieder ins Delirium abgeglitten zu sein. Die Augen des Zacathan richteten sich starr auf das Oval. Die Zeit verging, der Schnee verzischte auf den Felsen, und immer noch waren die Augen auf den Spiegel gerichtet. Diskans Finger verkrampften sich, dann sein Arm. Er mußte sich bewegen!
Ganz langsam versuchte er, seine Haltung zu verändern, ohne mit dem Spiegel zu wackeln. Und als sei diese leise Bewegung eine Art Signal gewesen, fielen Zimgralds Lider herunter, schlossen sich seine Augen, der keuchende Atem hörte auf.
Bestürzt und erschreckt berührte Diskan die Wange des Zacathan. Das Fleisch schien so kalt zu sein wie seine Finger. Tot! War Zimgrald gestorben, während er dagesessen und zugesehen hatte? Diskan ließ den Spiegel fallen. Scheppernd fiel er auf den Deckel des Wärmegeräts.
»Was ist?« Julha richtete sich auf. Sie stieß einen kleinen Schrei aus und beugte sich über den Zacathan. »Tot! Sie haben ihn sterben lassen!«
»Nein!« Er suchte nach den richtigen Worten, um es ihr zu erklären. »Er hat mir befohlen, dies hier aus seiner Tasche zu holen …« Er hob den Metallspiegel wieder auf und zeigte ihn ihr. »Sagte, er wolle den Tief schlaf.«
»Tiefschlaf I O nein! Nein!« Julha streifte mit flinken Händen die Decke ein wenig ab und befühlte den breiten Brustkorb. »Aber er hat es getan – er hat sich mit Willenskraft in den Schlaf versetzt! Und nichts vorbereitet, nichts!«
»Was ist das eigentlich?« fragte Diskan.
»Die Zacathans – sie können sich durch Selbsthypnose für beliebig lange Zeit in Trance versetzen. Aber es ist eine gewaltige Anstrengung, und in seiner so geschwächten Verfassung – warum haben Sie das zugelassen?«
Diskan erhob sich. »Glauben Sie, durch meine Weigerung hätte ich ihn davon abgehalten? Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, daß er weniger willensstark ist als Sie oder ich. Wie lange wird er in diesem Zustand bleiben?«
»Bis er daraus geweckt wird. Aber« – sie deckte Zimgrald wieder sorgfältig zu – »vielleicht ist es besser so. In Trance spürt er nichts von seinen Schmerzen. Und wenn Sie von der Unterkunft zurückkommen und wir die Medikamente haben, die wir brauchen – dann können wir ihn wecken.« Diskan hatte den Eindruck, daß die Zweifel am Gelingen des Plans in ihr wuchsen.
»Ja, die Unterkunft …«
Wenn sie die Station finden
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