Der Faktor X
mußte, daß er sie und den hilflosen Zacathan nicht dieses einzigen kleinen Verteidigungsmittels berauben durfte.
»Gehen Sie jetzt?«
»Ja. Wenn ich in zwei Tagen nicht zurück bin …«
»Tagen!« fuhr sie auf.
»Ja, Tagen. Ich kann nicht über die Berge fliegen. Also, wenn ich bis dahin nicht zurück bin – tun Sie, was Sie für das Beste halten«, schloß er düster, denn er wußte, daß er für das Mädchen nur ein Mittel zum Zweck war. Es wäre irgendwie tröstlich gewesen, wenn sie nur einen kleinen Gedanken für ihn übrig gehabt hätte. Draußen, außerhalb ihrer Zuflucht, war der Tag trübe – der Schnee fiel in Schauern. Hier drinnen war eine Insel der Wärme, aber – was noch mehr bedeutete – Gesellschaft, das Wissen, daß seine eigene Rasse existierte. Seine eigene? Wann hatte er je zu irgendeiner gehört? Julha hatte ihm nur die Behandlung zuteil werden lassen, die er schon immer erfahren hatte. Er war Stärke – die man gedankenlos gebrauchte.
Diskans Gesicht hatte sich verdüstert. Er ging zum Ausgang der Spalte – und sah sich plötzlich dem Pelzigen gegenüber, der seine Fänge entblößte. Das Tier war zurückgekehrt, blockierte den Ausgang, schien ihn aber nur warnen zu wollen. Als Diskan weiterging, zog es sich etwas zurück, seine ganze Haltung eine einzige Drohung.
Diskan trat voll ins Freie. Der Pelzige duckte sich, sein Schwanz schlug peitschend hin und her, und er knurrte und zischte. Aber Diskan wußte, daß all das nicht ihm persönlich galt, sondern dem, was er vorhatte. Er wagte noch einen Schritt. Das Tier sprang, prallte mit solcher Wucht gegen ihn, daß er gegen einen Felsen taumelte, aber es biß ihn nicht. Wieder duckte es sich am Boden krümmte es sich zum nächsten Sprung.
»Nein!«
Der Pelzige wurde steif, fiel um, und nur seine Augen sahen Diskan weiterhin so wach und mit einer solchen Intensität an, daß er unruhig wurde, Julha trat heraus; sie senkte den Stunner, den sie eben abgefeuert hatte.
»Gehen Sie schon; ich habe nur eine schwache Ladung abgefeuert, also machen Sie schnell!«
Wie, wenn ihn dieses Wesen vor irgendeiner Gefahr hatte warnen wollen? Diskan kletterte auf einen hohen Stein und sah sich um. Er sah die dunkle Spur vom Sumpfland her, die das Wesen hinterlassen hatte, aber außer den schwarzweißen Vögeln am Himmel rührte sich nichts.
»Gehen Sie schon!« Julhas Stimme wurde lauter. Sie streckte einen Arm aus, als wolle sie ihn anschieben.
Diskan sprang herunter und hob das hilflose Tier auf.
»Was tun Sie da?« fragte das Mädchen barsch.
»Ich werde ihn nicht hier liegenlassen, damit er erfriert«, fuhr er sie an. »Er hat uns herausgeführt …«
»Aber er hat Sie eben angegriffen …«
»Er hat versucht, mich am Weggehen zu hindern. Es hat weder seine Zähne noch seine Klauen gebraucht. Sie rühren ihn nicht an, verstanden!« Zum erstenmal erteilte ihr Diskan einen direkten Befehl. Er trug den Pelzigen nach drinnen und legte ihn direkt neben dem Zacathan ab, wo die Wärme eine Erkältung verhindern konnte. Dann, ohne noch ein einziges Wort zu verlieren, ging er wieder hinaus und machte sich zum zweitenmal daran, den Hang hinaufzuklettern.
Es war ein langer, harter Tag. Außer ein paar Vögeln, hoch am Himmel über dem Sumpfland, entdeckte Diskan in der weißgrauen Landschaft nicht eine Spur von Leben. Hie und da sah er Spuren im Schnee, aber keine von den Pelzigen und ganz gewiß auch nicht von menschlichen Füßen. Er wurde jedoch nicht unvorsichtig, sondern hielt sich immer in Deckung mit der Umsichtigkeit eines Menschen, der weiß, daß ihm die Verfolger auf den Fersen sind.
Am späten Nachmittag studierte er das Tal mit der Hütte von einem gut geschützten Aussichtspunkt aus. Ein Schiff ragte in den Himmel. Seine Form unterschied sich nicht sonderlich von der der schlanken Regierungsschiffe, die er so oft gesehen hatte. Aber über der Luke fehlten die Zeichen der Patrouille. Die Luke war nur durch die innere Tür verschlossen. Wie eine lange Zunge führte die Rampe auf die Erde herab.
Kein sehr großes Schiff. Diskan versuchte zu schätzen, wie groß die Besatzung sein konnte, aber er hatte von Raumschiffen zuwenig Ahnung, und überdies war es wahrscheinlich, daß die Piraten einen Teil des Laderaums umgebaut hatten, um zusätzliche Männer zu transportieren.
Die Sendungen von der Hütte her waren verstummt. Vielleicht hatten die Piraten die Unterkunft sogar schon abgebrochen. Das konnte er erst feststellen, wenn er an die
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