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Der Falke des Lichts

Der Falke des Lichts

Titel: Der Falke des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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und legte meinen Speer ins Gras. Herbstblumen standen hier und da in struppiger Blüte am Wasser, und der Abendstern ging auf. Er warf ein sanftes, goldenes Licht, das sich im dunklen Wasser widerspiegelte. Der Frieden der Welt schien die tödliche Geschwindigkeit der Kämpfe der Menschen Lügen zu strafen, und auch meine innere Verwirrung. Ich lehnte meine Arme auf die Knie und starrte in die Fluten hinaus.
    Artus würde mich akzeptieren, wenn der Schilderwall in dieser Nacht gebrochen würde. Das war es doch, was ich wollte, oder? Immer und immer wieder stellte ich mir diese Frage, und immer antwortete ich mir selbst: »Ja, aber so nicht. Ich will es nicht, wenn seine Ehre ihn dazu zwingt.« Aber was dann? Vielleicht würde ich in der betreffenden Nacht sterben, dann brauchte ich mich nicht zu entscheiden. Aber wenn es nicht mein Schicksal war, wenn ich überlebte, dann würde ich entscheiden müssen. Selbst wenn ich doch starb, ich wollte mit reinem Herzen meinem Tod begegnen.
    Im letzten dunklen Glühen des verschwindenden Tageslichts zeigte mir das Wasser mein Gesicht. Es zitterte im Strom. Es war ein Gesicht wie das von Morgas. Immer Morgas. Ich bohrte meine Finger in den Boden, riß die Erde heraus und schleuderte sie, um das Spiegelbild zu zerschlagen. Das Wasser zitterte, aber es wurde wieder still, und das Bild kehrte zurück.
    Jetzt nicht nur Morgas’ Gesicht, dachte ich, sondern das Gesicht eines Kriegers. Ich ließ die letzten paar Monate vor meinen inneren Augen vorbeiziehen. Ja, ganz ohne Frage. Niemand würde mich jetzt mehr für einen Hörigen halten, einen Barden oder einen Druiden. Das, was aus mir geworden war, stand auf mir geschrieben, und jeder konnte es lesen. Ein Krieger - aber von welcher Truppe, unter welchem Herrn?
    Es spielte eigentlich keine Rolle. Ein Krieger ist ein Krieger, und der ganze Krieg ist ein Sport, ein Spiel. Alle Kriege - außer Artus’ Krieg, außer dem Krieg des Lichts.
    Ich wandte meine Gedanken von meiner verletzten Ehre und Bitterkeit ab, an die ich mich so gewöhnt hatte. Ich sah das an, was wirklich passiert war. War es nicht gut gewesen, wie Artus gesagt hatte, daß ich Ruhm und Ehre und Reichtümer gewonnen hatte, daß ich Gold und Seide und schöne Waffen aus den Händen von Königen entgegennahm, die meine Dienste wollten? Ja, es war gut gewesen, süßen Met zu trinken und den Lobsängen der Barden zuzuhören. Es war schön gewesen, mit glänzenden Waffen im Kettenhemd auf Ceincaled in eine Stadt einzureiten, umflattert von meinem roten Mantel und glänzend vor goldenem Schmuck. Die Mädchen hatten mir nachgewinkt, und ich hatte ihnen zugelächelt. Der Krieg hat zuviel Glanz, zuviel Gold und schnelle Pferde, zuviel scharlachrote und purpurne Seide. Er ist schön, und man vergißt, wozu er da ist. Ich hatte es vergessen.
    Ich zog mein Schwert. Man hatte es mir zu einem Zweck gegeben, und ich hatte diesen Zweck vergessen. Ein König hatte mir das Schwert gegeben, und ich hatte den König vergessen, dem ich die Treue geschworen hatte. Meine Hand umklammerte das Heft, fühlte, wie es mir paßte, als ob es ein Teil von mir war.
    Artus hatte gesagt, ich hätte die Truppe geteilt. Ich packte das Schwert mit der anderen Hand und hielt es hoch. Ich preßte den kalten Stahl gegen meine Stirn. Ja, all der Streit, all der Zorn, die zerbrechenden Freundschaften, sie waren meine Schuld.
    Aber ich hatte einen Teil von mir, der lange leer gewesen war, wieder angefüllt. Ich hatte Sehnsüchte befriedigt, die ich immer gehabt hatte und die ich nie verstand. Ich hatte das gewollt, und ich wollte es noch immer.
    Morgas würde darüber erfreut sein, sagte ich mir. Sohn der Morgas, sei froh. Du hast gewonnen. Und jetzt, Gawain von den Orkneys, was wirst du tun? Lugh hat dich gewarnt, denn du hattest deine eigene Finsternis noch nicht besiegt. Aber du hast nicht auf ihn gehört, du hast die Finsternis in dir nicht erkannt. Artus wird dich akzeptieren, weil er zu ehrenhaft ist, um etwas anderes zu tun. Artus. Zuerst hat er dich ungerecht behandelt, aber das war nur ein kleiner Schatten auf seinem strahlenden Charakter. Was wußte ich von seiner Finsternis, von dem Mann innerhalb des Königs, von den Mächten, die ihn trieben, von seinen Zielen? Plötzlich sah ich, daß er menschlich war, unsicher. Ich wußte, daß ich früher nicht für ihn, sondern für mich gekämpft hatte. Ich hatte nichts getan, um sein Mißtrauen auszuschalten. Ich hatte viel getan, um es zu rechtfertigen. Und

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