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Der Falke des Pharao

Der Falke des Pharao

Titel: Der Falke des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda S. Robinson
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des Knaben hinweg beobachtete er, wie seine Männer näher kamen. Sie hatten ihre Untersuchung im Tempel des Anubis beendet. Er warf einen Blick auf Sedi und bemerkte, daß dieser ihn ängstlich beobachtete. Kysen kannte das Gefühl, angesichts von Ereignissen, die man selbst nicht verstand, hilflos zu sein. Bevor seine Männer in Hörweite waren, flüsterte Kysen dem Knaben zu. »Wenn du dich an irgend etwas anderes erinnern solltest, komm zum Haus meines Vaters in der Straße des Falken in der Nähe des Palastes. Und höre, Bruder: Wenn du Hilfe benötigen solltest, oder deine Arbeit wegen dieser Geschichte verlierst, dann komm zu mir.«
    Dieses Mal sagte Kysen nichts, als Sedi vor ihm auf die Knie fiel. Als seine Männer sie erreicht hatten, hatte er wieder die angemessene Haltung eines Herrn eingenommen, der die Gehorsamsbezeugungen eines Untergebenen entgegennimmt. Ohne den Wasserträger anzusehen, der neben ihm auf dem Boden lag, schritt Kysen aus dem Trockenzelt hinaus und stieg in seinen Wagen.
    Auf seinem Rückweg in den Palast versuchte er, nicht daran zu denken, daß er möglicherweise in die Nekropole würde gehen müssen. Er war nicht mehr dort gewesen, seit sein leiblicher Vater ihn vor zehn Jahren von dort verschleppt hatte. Das Dorf lag ein Stück nordwestlich vom Amtssitz des Pharao, doch Kysen gelang es immer, es zu übersehen, auch wenn er zufällig einmal in diese Richtung blickte. Der gute Gott Amun hatte ihm am Tage, da sein Vater ihn an Meren verkauft hatte, ein neues Leben geschenkt. Das alte Leben war so vergangen wie die Ahnen in ihren Pyramiden.
    Während er sich dem großen, befestigten Haus näherte, das die Familie des Fürsten seit Generationen beherbergte, hob sich Kysens Stimmung. Vielleicht war Remi schon von seinem Schläfchen erwacht. Er überließ sein Gespann dem Stallknecht und flüchtete vor dem brütendheißen Tag in die Dunkelheit der Eingangshalle. Das Temperaturgefälle war so heftig, daß ihn fröstelte. Eine Magd kam mit kühlem Wasser zum Trinken und feuchten Tüchern, mit denen er sein Gesicht, die Hände und Füße reinigen konnte.
    Kysen beugte sich gerade nach vorne, um seine Sandalen wieder überzustreifen, als er das Klappern metallener Räder vernahm. Ein bronzener Miniaturlenkwagen raste über den gekachelten Boden. Kysen schnappte seine Sandale und sprang über das Gefährt hinüber, bevor es seine Zehen rammen konnte.
    »Vater, ich werde dich töten!«
    Remi imitierte die typische Körperhaltung eines Bogenschützen. Er spreizte die kleinen Beine, drehte seinen Körper zur Seite und ließ einen mit stumpfer Spitze versehenen Pfeil fliegen, der den Boden vor Kysen traf. Kysen stöhnte, griff sich an die Brust und ließ sich rücklings auf den Boden fallen. Remi gab einen lauten Kriegsruf von sich und warf sich auf seinen Vater. Ein dreijähriger Sandsack landete auf seiner Brust, so daß Kysen grunzte.
    »Süßigkeiten, Vater. Die Kinderfrau will mir keine Süßigkeiten geben. Gib du sie mir.«
    »Ich kann nicht«, sagte Kysen mit geschlossenen Augen. »Ich bin tot.«
    Remi hüpfte bei jedem seiner Worte auf der Brust seines Vaters auf und nieder. »Nein, bist du nicht. Ich enttöte dich. Und jetzt die Süßigkeiten.«
    Aus dem Hof rief eine schrille Stimme, die so durchdringend klang wie die einer Hyäne, Remis Namen, und Kysens Augen öffneten sich schlagartig. Er stöhnte.
    »Warum hast du mir nicht gesagt, daß deine Mutter zu Besuch gekommen ist?«
    Remi sprang von seinem Vater herunter und stürzte sich wieder auf seinen Spielzeugwagen. »Hab ich vergessen.«
    »Kysen, was tust du denn da?«
    Kysen rollte sich auf den Bauch und ließ die Stirn auf den kühlen Platten ruhen. »Ich bin tot. Remi hat mich umgebracht.«
    »Unsinn. Hör auf, dich auf dem Boden herumzuwälzen.«
    Kysen wandte den Kopf und betrachtete die Frau, die im Eingang stand. Sie war immer noch hübsch trotz der Vorliebe für Wein oder andere Tränke, die ihr von ihren Magiern und Priestern gemixt wurden. Sie hatte die größten Augen und die vollsten Lippen, die er je bei einer Frau gesehen hatte, und wie immer umhüllte ein raffiniertes Hofgewand ihren Körper; sie trug einen breiten Halsreif aus Gold und Karnel und eine lange Perücke. Ihre geölten Lippen verzogen sich vor Abscheu.
    »Ist es etwa schon wieder einen Monat her, Taweret?«
    »Du weißt, daß es so ist, und Remi und ich haben gespielt.«
    »Du? Du und Remi, ihr habt gespielt?« Kysen richtete sich auf seinen Ellbogen auf

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