Der Falke des Pharao
Zwischen den Zähnen hielt er einen Stift aus Schilfrohr und runzelte angesichts dessen, was er dort las, die Stirn. Meren schlüpfte in den Raum. Als er sich näherte, blickte Djaper auf und lies die Papyrusrolle mit der einen Hand los, so daß sie sich in der anderen Hand zusammenrollte. Er nahm den Stift aus seinem Mund und ließ ihn auf einen niedrigen Tisch fallen, dann kniete er nieder. Die Papyrusrolle befand sich nun an seiner Seite hinter den Falten seines Rocks.
Meren neigte seinen Kopf in die Richtung Djapers, während er sich hinter die Couch begab, um vor einer Wand, die von Regalen gesäumt war, stehenzubleiben. Die meisten der Regalbretter waren voller Papyrusrollen, alter Briefe, frisch zubereiteter Schreibpaste, Siegelleim und anderer Utensilien, die zum Beruf des Schreibers gehören.
Meren kehrte zu der Couch zurück und setzte sich. Djaper stand mit niedergeschlagenen Augen und mit der gebührend respektvollen Haltung da. Meren streckte seine Hand aus, und Djapers Kopf fuhr nach oben. Er reichte ihm langsam die Rolle und wartete schweigend, während Meren sie las.
»Dies ist eine Schätzung der Ernte. Ich dachte, daß Euer Bruder sich um das Anwesen Eures Vaters kümmert.«
Djapers Augen weiteten sich, dann lächelte er. »Ja, Herr. Imsety bepflanzt und pflügt die Felder und hütet das Vieh, aber zuweilen ist er zu beschäftigt, um sich auch noch um die Bücher zu kümmern. Wie im Moment. Die Ernte steht fast bevor.«
»Was wißt Ihr vom Tod Eures Vaters?«
Djapers Blick blieb auf seinen Händen haften, er rollte das Papyrus in eine schmale Röhre hinein. »Nichts, Herr.«
»Ihr habt mit ihm gestritten.«
»Der Herr bezieht sich auf den kleinen Wortwechsel über Imsety, in dessen Besitz der Hof übergehen sollte.« Djaper seufzte und ließ das Papyrus auf den Boden rollen. »Es ist wahr. Mein Vater wollte sich von seinen Besitztümern niemals trennen, aber Imsety ist der einzige, den der Hof wirklich interessiert. Vater behielt einen Großteil des Gewinns, den er abwarf, für sich. Imsety bekam kaum genug, um sich selbst zu erhalten, und keiner von uns besitzt genug, um einen eigenen Hausstand zu gründen. Mein Vater haßte den Hof, und Imsety hätte ihm jeden Anteil am Gewinn gegeben, den er verlangte. Also sprach ich vor zwei Tagen für meinen Bruder vor. Wißt Ihr, Imsety kann für alle in die Bresche springen, aber er ist ein Esel, wenn er für sich selbst sprechen soll.«
Meren nickte und deutete Djaper mit einer Handbewegung an, daß dieser seine förmliche Haltung aufgeben könne. Der junge Mann setzte sich auf seine Fersen und faltete die Hände in seinem Schoß.
»Meine ganze Beredsamkeit war umsonst. Wie ich bereits sagte, war mein Vater zornig. Ich riet Imsety, bis zum Abschluß der Ernte zu warten, um unserem Vater Zeit zu geben, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Aber nun – «
»Nun werdet Ihr selbst und Euer Bruder erben.«
»Natürlich, Herr. Die Söhne eines Mannes sorgen für sein ewiges Haus. Wir werden es sein, die dafür Sorge tragen, daß für seine Seele Gebete gesprochen werden, daß sein Ka mit Fleisch und Wasser versorgt wird. Das ziemt sich so. Jeder pflichtbewußte Sohn täte das gleiche.«
Meren lehnte sich zurück und ließ seinen Ellbogen auf einem Berg von Kissen ruhen. »Und was ist mit Beltis?«
Ein entschuldigendes Grinsen breitete sich auf Djapers Gesicht aus. »Ich bitte um Verzeihung. Diese Frau griff den armen Imsety an, und ich konnte nicht zulassen, daß sie ihn ein weiteres Mal verletzen würde. Sehen Sie, Herr, Imsety sorgte für mich, als ich klein und schwach war. Er ließ es sich gefallen, daß ich ihm dauernd am Rockschoß hing, brachte mir bei, wie man sich rasiert und einen Dolch benutzt. Und immerhin hat uns diese Frau bestohlen, seit sie gekommen ist. Letzte Nacht wurde sie leichtsinnig und hat sich noch nicht einmal mehr bemüht, ihren Diebstahl zu verbergen.«
»Aber Ihr habt sie letzte Nacht nicht selbst gesehen.«
»Nein, Herr. Ich arbeitete den Tag über im Amt für Aufzeichnungen und Tributzahlungen, kam heim, um Imsety abzuholen und wir verbrachten den ganzen Abend mit Freunden.« Djaper beugten sich nach vorne, als habe er eine vertrauliche Mitteilung zu machen. »Tatsächlich mied ich meinen Vater. Er war wütend auf mich, und ich wollte nicht noch einmal mit ihm streiten. Ich verließ gestern morgen vor ihm das Haus und verbrachte die meiste Zeit des Tages mit zwei Gehilfen im Archiv. Glücklicherweise ging er zum Tempel
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