Der Falke des Pharao
mich, Selket und Imsety und Djaper. Sie wünschen sich, daß ich als seine Mörderin verurteilt werde. Wenn Hormin am Leben geblieben wäre, hätte er mir mehr von seinem Reichtum abgegeben, und er hätte meinen Sohn in seinem Testament bedacht.«
»Du sagst gegen alle drei aus. Doch gleichzeitig sagst du, daß du die ganze Nacht geschlafen hast.« Meren fuhr mit der Hand über die Schnitzerei auf der Stuhllehne und wartete.
Beltis schürzte ihre Lippen. »Meine Sklavin sagt, daß die Brüder nach dem Abendessen ausgegangen und fast bis zum Morgengrauen fortgeblieben sind. Wenn mein armer Herr im Tempel des Anubis getötet worden ist, dann könnten sie es gewesen sein.«
»Die gesamte Dienerschaft wird befragt werden«, sagte Meren. »Ich werde herausfinden, wo jeder von Euch in dieser Nacht war. Jeder von Euch.« Als Beltis ruhig blieb, fuhr Meren fort. »Ihr strittet über ein gestohlenes Halsband, als ich euch alle in Hormins Arbeitszimmer antraf.«
»Ja, Herr, ich sage Euch: Djaper hat es genommen, oder Imsety, oder Selket. Sie alle waren dagegen, daß mein Meister mir Geschenke machte. Es war ein breites Halsband von ausgesuchter Schönheit und hohem Wert. Es bestand aus Gold und Lapislazuli und rotem Jaspis.«
Beltis kaute auf ihrer Unterlippe und sagte finster. »Mein Herr hat es mir versprochen, aber jetzt ist es fort.«
Meren sagte nichts. Seine Männer würden eine Bestandsaufnahme der Besitztümer Hormins machen und die Familie befragen, um die Ansprüche festzustellen. Er setzte sich wieder auf den Stuhl, sorgte aber vorher dafür, daß er weit genug fortrückte, daß Beltis sich nicht erneut auf ihn stürzen konnte. Meren hatte oft genug die Gunst von Frauen genossen, die erheblich weiser, intelligenter und liebreizender waren als Beltis, und er hatte nicht den Wunsch, ausgenutzt zu werden.
»Du hast mit deinem Herrn gestritten«, sagte er. »Am Tage seines Todes hast du mit ihm gestritten und bist in die Nekropole am Westufer geflüchtet.«
Ein leise Lachen perlte zu ihm hinauf, und Beltis neigte den Kopf zur Seite. »Ein Streit zwischen Liebenden, Herr. Wir stritten uns häufig, und immer kam mein Herr und bat mich, ihm zu vergeben. Er brauchte mich. Nun, wenn er es eine Nacht lang ohne mich aushalten mußte, dann war er lüstern wie ein Zuchtbulle.«
»Erspare mir Geschichten von Hormins Lust. Worüber habt ihr euch gestritten?«
»Ich wollte passende Armbänder zu meinem neuen Halsband haben, und er wollte sie nicht machen lassen.« Beltis warf ihren Kopf nach hinten. »Ich bin eine Frau von großer Schönheit, und ich verdiene Juwelen und edle Gewänder. Hormin machte mich sehr wütend. Er hätte mir zwanzig Armbänder schenken können, wenn er nicht so geizig gewesen wäre. Ich war wütend, deshalb ging ich fort. Immerhin ist er – war er erheblich großzügiger, nachdem er ein paar Nächte ohne mich verbracht hatte.«
Meren begann zu glauben, daß Hormin nicht nur ein heißblütiger Mann, sondern auch ein Narr gewesen war.
»Wißt Ihr, Herr, mein Vater ist Bildhauer in der Nekropole, also mußte ich nicht weit laufen. Dort bin ich gestern hingegangen, nachdem Hormin mich geschlagen hatte, und ich wartete dort, damit er mich holte. Das tat er auch und wir versöhnten uns wieder. Er nahm mich sogar mit, um mir sein Grab zu zeigen, bevor wir wieder zurückgingen. Es liegt an der Grenze zum Friedhof der Edelleute. Dann kamen wir wieder nach Hause.«
»Und während der ganzen Zeit, die ihr zusammen wart, hat Hormin niemals davon gesprochen, in den Tempel des Anubis gehen zu wollen, und er hat auch niemanden erwähnt, der ihn bedrohte?«
»Nein, hoher Herr«, Beltis erhob ihre Stimme. »Aber ich bin sicher, daß Selket mich angeklagt hat. Sie haßt mich, weil ich schön bin, während sie häßlich und alt ist. Die Brüder sind genauso wie sie. Imsety ist dumm, und Djaper haßt mich.«
Der Groll der Konkubine steigerte sich, als sie ihren Kummer vor ihm ausbreitete. »Sie werden Euch Lügen über mich erzählen, aber ich sage Euch die Wahrheit. Djaper haßt mich, weil ich ihn zurückwies, als er bei mir liegen wollte, und weil mein Sohn ihn aus dem Herzen Hormins verdrängt hat. Ich sage Euch, sie haben meinen Herrn getötet, damit mein Sohn und ich nicht im Testament bedacht würden.«
»Genug.«
Meren erhob sich aus dem Sessel. Er nahm Beltis Hand und half ihr beim Aufstehen. Sobald sie auf den Beinen war, ließ er ihre Hand los und ging zur Tür. Während er sie öffnete, sprach er
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