Der Falke des Pharao
von Hormins Eifersucht wußte, als er über Theshs Schulter hinweg sah, daß eine Frau aus dem Haus getreten war und sich ihnen näherte. Sie trug ein Tablett mit Speisen und bewegte sich langsam, als ob ihre Beine bleiern wären. Sie erreichte den Pavillon, kniete nieder, und setzte das Tablett zwischen Thesh und Kysen ab.
Ihre langsamen Bewegungen hatten ihn getäuscht. Sie war keine alte Frau aber auch nicht mehr ganz jung. Sie hatte das breite Gesicht der Menschen aus dem Süden, volle Lippen und ein fliehendes Kinn. Ein nicht auffälliges Gesicht, das auf einem schlanken Körper mit kräftigen Beinen ruhte. Wenn er sie zuerst von hinten und dann von vorne gesehen hätte, wäre er enttäuscht gewesen, denn der Körper versprach, was das Gesicht nicht hielt.
Thesh goß Bier in die Becher, ohne die Frau anzusehen. »Seth, Diener des Fürsten Meren, dies ist meine Frau, Yemyemwah, genannt Yem.«
Kysen nickte Yem zu, die den Kopf vor ihm neigte.
»Yem, Hormin ist ermordet worden, und Seth ist gekommen, um Nachforschungen darüber anzustellen, was er gestern getan hat.«
Yems preßte ihre vollen Lippen aufeinander. Dann fragte sie: »Und die Frau?«
Die Worte waren mit gleichgültiger, dumpfer Stimme hervorgebracht worden, und doch spürte Kysen die Spannung, mit der sie auf eine Antwort wartete. Diese Frau wünschte Beltis den Tod. Kysen warf Thesh einen raschen Blick zu. Dieser hatte ihm gerade einen Becher reichen wollen und hielt nun mitten in der Bewegung inne. Seine Hand schwebte in der Luft und Kysen konnte sehen, daß seine Finger den Becher umspannten, bis das Fleisch über den Knöcheln weiß wurde.
»Welche Frau?« fragte Kysen.
»Die Hure.«
»Yem!«
»Meint Ihr die Konkubine?« fragte Kysen und nahm Thesh den Becher aus der Hand.
Wieder nickte Yem.
»Nur Hormin ist ermordet worden. Wißt Ihr irgend etwas über Hormin und seine Geschäfte hier, Herrin?«
Yem warf ihrem Mann einen schnellen Blick zu. Thesh bemühte sich, sie nicht zornig anzuschauen. Schnell griff er nach einem Laib Brot und brach ihn entzwei. Die Gewalt, mit der er das tat, verriet ihn, und er schien sich dessen bewußt zu sein. Er ließ das Brot fallen und entließ Yem mit einer Handbewegung. Als sie sich erhob, reckte Kysen seine Hand.
»Einen Augenblick noch, Herrin, beantwortet meine Frage.«
»Ich weiß nur, daß sie gestern hierherkam, um ihre Eltern zu besuchen. Er kam ebenfalls, und sie stritten miteinander. Das ganze Dorf weiß das. Es gehört zu ihren Spielchen. Beltis spielt eine Menge – Spielchen. Ich sah, wie er die Hauptstraße hinabeilte und einen kleinen Weidenkorb unter dem Arm trug, zweifellos ein Geschenk, um sie zur Heimkehr zu bewegen. Die beiden hatten einen ihrer Wortwechsel, bei denen sie brüllen wie die Esel. Beltis konnte die Säulen der Tempel taub werden lassen. Nachdem der Streit aufgehört hatte, sah ich sie nicht wieder, denn ich mußte Brot backen und meine Spinnarbeit beenden.«
»Meinen Dank, Herrin.«
Yem verbeugte sich und verließ die Männer. Sie schleppte sich zum Haus, als ob sie durch ein Meer von Schlamm watete. Kysen setzte sich bequemer hin, indem er einen Teil seines Gewichtes auf seinen Arm verlagerte, nahm ein Stück Brot und hob die Braue, als er Thesh anblickte. Der Schreiber trank einen Schluck Bier, und als Kysen ihn nicht anklagte, sondern nur in sein Brot biß, seufzte er.
»Ich sagte Euch schon, daß Beltis sich selbst für eine Künstlerin hielt.«
Kysens Blick war weiterhin auf ihn gerichtet, und Thesh räusperte sich.
»Yem ist eine gute Frau, aber die Götter haben uns nicht mit Kindern gesegnet, und deshalb ist Yem unglücklich. Wir beide sind unglücklich. Beltis besteht nur aus Lachen und Feuer und – «
»Habt Ihr gestern bei ihr gelegen?«
Thesh schüttelte seinen Kopf. »Hormin folgte mir hierher, genau wie Yem gesagt hat. Als sie eintraf, war mir klar, daß sie diesmal andere Dinge zu erledigen hatte. Er fand sie hier, und sie stritten miteinander, wie Yem berichtet hat. Nachdem sie sich versöhnt hatten, kam Hormin zu mir, um dem Maler Useramun und einem seiner Bildhauer einen Betrag gutschreiben zu lassen. Dann gingen sie mit Woser zusammen fort, um sein Grab zu besichtigen. Danach habe ich sie nicht mehr gesehen.«
»Und mit wem von Euch hatte Hormin vornehmlich zu tun?«
»Natürlich mit Beltis’ Eltern, und mit den Männern, die sein Grab entwarfen und errichteten. Woser, der Zeichner, und Useramun, der große Maler, trafen ihn am
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