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Der Falke des Pharao

Der Falke des Pharao

Titel: Der Falke des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda S. Robinson
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hegte, denn sie erhielten einen beträchtlichen Anteil vom Korn des Pharao.
    Sein Vater. Würde Pawero ihn erkennen? Und seine Brüder? Wenn nicht, dann war Kysen entschlossen, sich nicht zu erkennen zu geben. Zu den ersten Lektionen, die Meren ihm erteilt hatte gehörte die, sich niemals selbst zu verraten. Die Gazelle sucht den Blick des Löwen nicht, wenn sie sich inmitten ihrer Herde befindet. Sie blickt voran und ignoriert das Tier an ihrer Seite. Und so würde es bei den Künstlern sein. Sie würden ihre Geheimnisse vor dem Gehilfen Merens verbergen können, aber es würde ihnen nicht gelingen, Dinge vor ihm zu verbergen, von denen man eigentlich nicht erwarten konnte, daß er sie wußte.
    Und es gab einen weiteren Vorteil. Durch den Schutz seiner Maske als Diener des Königs war er vor Pawero sicher. Kysen rieb sich die Oberarme und starrte auf die Kräuselungen des Wassers, die das Schiff verursachte. Welcher Dämon hatte von ihm Besitz ergriffen, daß ihm solch ein Gedanke kam?
    Pawero war fast zehn Jahre älter als Meren – mittlerweile war er ein alter Mann. Ein alter Mann, der nicht mehr stark genug war, um seinen Sohn zu züchtigen, vor allem nicht einen Sohn, der erwachsen und zum Krieger ausgebildet war. Wie zähflüssiges Pech floß der Zorn durch Kysens Körper und wand sich wie eine Schlange um sein Herz. Mit dem Säbel seiner Willenskraft durchtrennte er die Fesseln des Zorns.
    Wut hatte bei der Arbeit, die er zu verrichten hatte, nichts zu suchen. Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf seine Umgebung, als das Schiff in einem kleinen Hafenbecken anlegte. Er kletterte an Land und schwang den Riemen seines Sacks, in dem er seine Habseligkeiten trug, über die Schulter. Eine Reihe Esel und ihre Führer drängten sich in Erwartung des Korns herbei. Er hätte dem Zug vorausgehen können, der den Weg über die nackten Hügel erklomm und dann in das Tal hinabstieg, in dem das Dorf lag, aber schließlich erwartete alle Welt, daß er den Weg nicht kannte.
    Bald wanderte er neben dem Esel her. Er lehnte sich nach vorne, als der Weg begann, sich den Berg emporzuschlängeln, um sich in das Herz des leblosen Felsens zu stürzen, der bald von der tödlichen Hitze des Tages erglühen würde. Irgendwie war die Reise zu kurz. In weniger als einer Stunde hatte er die Spitze eines Hügels erreicht und starrte in das schotterbedeckte Tal hinab. Er vergaß zu atmen. Eine hohe, weißgewaschene Wand umgab das Dorf, und er konnte die flachen Häuserdächer erkennen, die sich zu beiden Seiten der Hauptstraße erhoben. Kysen stolperte beinahe, als ein Esel ihn anstieß. Er hatte vergessen, wie eingeschlossen das Dorf war. Es gab nur ein Tor in dieser Mauer, die einzige Möglichkeit, um hinein- oder hinauszugelangen.
    Trotz der allmählich stärker werdenden Hitze war seine Haut kalt. Undeutliche Erinnerungen drängten sich in sein Bewußtsein – der Tod seiner Mutter als er noch klein war, seine Brüder, ein älterer Junge namens Useramun, der zu diesem Zeitpunkt bereits ein begnadeter Maler war, der alte Schreiber des Dorfes, der jetzt tot war. Aber er konnte sich an ihre Gesichter nicht erinnern.
    Nachdem Meren ihn in seinem Haus aufgenommen hatte, hatte er sich bewußt entschlossen, sämtliche Spuren seines alten Lebens aus seinem Gedächtnis zu löschen. Er hatte die alten Erinnerungen, ob sie nun gut oder schlecht waren, in einen Sarkophag aus schwarzem Diorit gelegt und den Deckel fest verschlossen. Jetzt war es nicht leicht, den schweren Deckel wieder zu heben und die Erinnerungen ans Licht zu lassen. Er schien sich besser an Gegenstände erinnern zu können als an Menschen. Das Dorf sah jedoch so viel kleiner aus, als er es in Erinnerung hatte.
    Einer der Zugführer stieß seinem Kameraden mit dem Ellbogen in die Rippen und deutete auf einen anderen Pfad, eine weiße Spur in den Felsen der Hügel, die in nordwestlicher Richtung lagen.
    »Er fiel da herunter, wo der Weg eine scharfe Biegung macht und den Fels der Hyänen säumt. Hat sich den Hals gebrochen. Man kann immer noch das Blut auf den Steinen am Fuße des Berges sehen.«
    Kysen war plötzlich wachsam und mischte sich ein. »Jemand ist vom Felsen hinabgestürzt?«
    »Ja, Herr.« Einer der Eselbesitzer antwortete ihm. »Ein Arbeiter im Steinbruch. Letzte Woche. Das kommt vor, möge der große Osiris uns schützen. Nachdem einer jahrelang in diesen Felsen herumgeklettert ist, wird er leichtsinnig. Er macht einen falschen Schritt, setzt seinen Fuß auf

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