Der Falke des Pharao
Seit er das letzte Mal hier gewesen war, hatte sich wenig verändert. Als er sich besser fühlte, entfachte er den Docht einer Lampe und wandte seinen Blick dem Bett, den Regalen mit den Papyrus und den Truhen zu. Er öffnete die Truhen und fand Kleidung, Toilettenartikel und Juwelen darin. Und dort war auch Djapers Schreibzeug, aber er konnte nichts finden, was darauf hindeutete, daß der Tote irgend etwas geschrieben hatte.
Nachdem er die Kammer durchsucht hatte, kehrte Meren in das Zimmer zurück, wo Imsety und Selket festgehalten wurden. Er nahm auf dem Stuhl des Hausherrn Platz und betrachtete sie schweigend. Imsety war in seinen üblichen Zustand des Schweigens zurückgefallen. Seine Mutter jedoch biß sich auf die Lippen in dem offensichtlichen Versuch, ihre Beunruhigung und Neugier im Zaum zu halten. Sie rang unaufhörlich ihre braunen Hände.
»Herrin, beschreibt mir die Ereignisse des gestrigen Tages und des gestrigen Abends.«
»Mein Sohn, er bat darum, daß man ihn allein lasse und er ist immer noch auf seinem Zimmer.«
Meren antwortete nicht, und da ihr keine Wahl blieb, fuhr sie fort. »Gestern war ein Tag wie jeder andere. Ich mußte den Haushalt führen, die Mahlzeiten überwachen, ebenso wie das Weben und Flicken, das Backen des Brotes, das Bereiten der Salben, das Putzen. Beltis, diese Schlampe, war keine Hilfe, wie immer.« Selket hielt inne. Ihr Blick wanderte weg von Meren. »Die Konkubine stritt sich mit Djaper.«
»Erklärt mir das.«
»Sie kam in sein Zimmer.« Selkets braunes Gesicht wurde rot vor Zorn. »Sie kam gestern morgen in sein Zimmer, diese Hure. Er hat sie zurückgewiesen, und sie hat ihn angeschrien und versucht, ihm die Augen auszukratzen. Dann warf sie ihm einen Krug an den Kopf. Imsety und ich kamen herbei, um zu sehen, was passiert war. Der arme Djaper lag auf dem Boden und hielt sich den Kopf, also schnappte Imsety sich Beltis und warf sie aus dem Zimmer. Sie floh auf ihr eigenes Zimmer, und später packte sie ihre Siebensachen und verdrückte sich in die Nekropole. Der arme Djaper hatte den ganzen restlichen Tag Kopfschmerzen.«
Meren fragte Imsety in scharfem Ton: »Worum ging es bei dem Streit?«
Imsety zuckte die Achseln. »Sie hatte das mit dem Halsband herausgefunden. Sie wollte es haben.«
»Beredt wie immer, Imsety. Wie hatte sie es herausgefunden?«
»Sie kletterte die Palme vor Djapers Fenster hinauf und beobachtete uns, als er mir sagte, daß ich es am Markt reparieren lassen sollte.«
»Ein Satz mit über fünf Worten«, sagte Meren. »Ihr erstaunt mich. Also strittet Ihr über das Halsband. Dann hatte sie offensichtlich entdeckt, daß Ihr und Euer Bruder es aus dem Arbeitsraum Eures Vaters entwendet hattet.«
»Sie wollte das Halsband haben«, sagte Imsety zögernd. »Sie sagte, daß er es ihr gegeben habe, bevor er sie zum letzten Mal aus der Nekropole holte.«
»Und sprach sie die Wahrheit?«
Imsety warf seiner Mutter einen Blick zu. Ihre Gesichtsfarbe hatte sich wieder normalisiert. Sie nickte steif.
»Ja, Herr.« sagte Imsety. »Als sie nach Hause kam, hielt sie es zwischen den Fingern, und sie war wütend, als Hormin es ihr wieder fortnahm, um es in seinem Arbeitszimmer aufzubewahren.«
»Und danach?« fragte Meren.
Selket meldete sich erneut zu Wort. »Djaper ging wieder in die Amtsräume des Amtes für Aufzeichnungen und Tributzahlungen, während Imsety – «
»Ich weiß, was Imsety getan hat«, sagte Meren.
»Und an diesem Abend kam Djaper nach Hause und klagte über Kopfschmerzen«, sagte Selket. »Als er mit Imsety sprach und von Eurem Zorn erfuhr, war er sehr durcheinander. Bei Einbruch der Nacht schmerzte sein Kopf ihn so sehr, daß er darum bat, allein gelassen zu werden und sich zurückzog. Hat er immer noch Kopfschmerzen?«
»Mutter«, sagte Imsety, während er Meren ansah, »Djaper sollte hier sein. Herr, wo ist mein Bruder?«
»Er ist tot.«
Imsety blinzelte ihn verwirrt an und Meren schaute abwechselnd zu ihm und zu seiner Mutter. Imsety blieb ruhig, doch Selket schüttelte den Kopf, wandte sich um und versuchte, aus dem Zimmer zu eilen. Einer der Leibwächter hielt sie auf. Meren blieb sitzen und beobachtete, wie die Frau kämpfte und zu schreien anfing. Ihre Stimme hätte beinahe sein Trommelfell platzen lassen, und als sie zu heulen begann, glaubte Meren, daß diese Neuigkeiten sie tatsächlich überrascht hatten.
Imsety blinzelte immer noch, als Meren ihm seine Aufmerksamkeit wieder zuwandte. Er beobachtete ungläubig,
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