Der Falke des Pharao
eingelassen worden, eine rechteckige Öffnung, die grob herausgehauen worden war und nun darauf wartete, von den Steinmetzen bearbeitet zu werden. Die Fackel war in einen Haufen Schutt gesteckt worden und daneben stand mit im Wüstenwind wehenden Gewand Beltis. Er beobachtete, wie die Konkubine sich vorbeugte und eine Tasche aufhob, die ihr zu Füßen lag, bevor sie den schmalen Grabschacht betrat. Undeutlich schimmerte Licht aus dem Eingang, was bedeutete, daß im Inneren Lampen angezündet worden waren.
Kysen beglückwünschte sich zu seiner Vorsicht, kroch geschmeidig hinter dem Felsen hervor und schlich zu dem Grabeingang hinüber. Grobe Stufen waren in den Felsabhang gehauen worden. Er schlüpfte hinein. Mit dem Rücken zur Wand schob er sich ein paar Stufen hinunter, dann hielt er inne, als er Beltis’ Stimme hörte.
»Es war Dummheit, unseren Weg mit der Fackel zu beleuchten.«
Ein Mann antwortete ihr mit leicht hysterischer Stimme, die vom Echo der Grabwände verzerrt wurde.
»Ich sage dir, ich riskiere kein Zusammentreffen mit Dämonen«, sagte der Mann. »Nicht schon wieder. Nicht nach dem, was wir getan haben. Ich habe genug gelitten.«
Immer noch streitend wurden die Stimmen langsam leiser. Kysen bewegte sich vorsichtig die Treppe hinunter, vorbei an einem Stapel mit Fackeln, die von den Totengräbern zurückgelassen worden waren, bis die Treppe in einen steil hinabführenden Weg mündete. Er hielt erneut im Schatten an, als der Schacht sich zu einer Vorkammer erweiterte, einem rechteckigen Raum, der mit der Grabkammer durch einen frisch gehauenen Eingang verbunden war. Schutt von den Grabungsarbeiten lag in hastig aufgetürmten Haufen zu beiden Seiten der Öffnung.
Aus der Grabkammer konnte er kratzende und raspelnde Geräusche vernehmen, als ob jemand schwer arbeitete, um die nächste Kammer auszuheben. Als der Lärm begann, hörten Beltis und ihr Komplize auf, zu streiten. Stille breitete sich aus, und Kysen mußte sich anstrengen, um überhaupt irgend etwas zu hören. Zu seiner Überraschung wurde das Licht in der Grabkammer schwächer. Er wartete ab, konnte aber nichts mehr hören.
Er wollte gerade nachsehen, als weitere kratzende Geräusche aus der Kammer widerhallten und das Licht wieder heller wurde. Als nächstes hörte er ein Klappern und stärkeres Kratzen, das auf ihn zukam. Er schoß auf den Ausgang zu, kletterte die Stiegen hinauf und eilte ins Freie. Er rannte zu seinem Felsblock, duckte sich dahinter und spähte über seinen Rand, gerade rechtzeitig, um Beltis aus dem Grabeingang treten zu sehen. Hinter sich her zog sie einen Sack, der aussah, als ob sie ihn mit Steinen gefüllt hätte.
Hinter ihr trat ein Mann heraus, dessen Arme mit einigen übereinandergestapelten Kästen beladen waren, so daß sein Gesicht verborgen war. Er setzte sie im Lichtkegel der Fackel ab, aber er war zu groß, und seine Schultern und sein Kopf waren im Schatten. Kysen verfluchte den Mann im Stillen dafür, daß er ihm keinen klaren Blick gewährte. Er richtete sein Interesse wieder auf die Kästen und sah Alabaster, Blattgold und Ebenholz. Kein Ägypter konnte diesen Anblick mißdeuten.
Der Mann nahm die Kästen wieder auf, während Beltis voranging, sie ergriff die Fackel und zog den Sack hinter sich her. Wieder blieb der Mann dem Lichtkegel fern. Sie traten auf dem gleichen Weg den Rückzug an, auf dem sie gekommen waren, und wandten sich in Richtung Dorf.
Kysen beobachtete, wie sie davongingen. So beladen wie sie waren, würde er sie leicht einholen können. Er mußte sich Hormins Grab ansehen. Eigentlich durfte sich nichts darin befinden, das einen Diebstahl wert war. Die Habseligkeiten eines Toten wurden nicht eher in seinem Ewigen Haus plaziert, bis sein Leichnam beigesetzt worden war. Er kehrte zum Eingang zurück und entfachte erneut eine der Fackeln, die Beltis in ein Sandbecken gesteckt hatte. Er eilte den Schacht hinunter und betrat die Grabkammer.
Die Kammer war nicht geschmückt, bald würde sie den Mumiensarg des Mannes beherbergen. Was Kysens Aufmerksamkeit auf sich zog, war der rechteckige Sarkophag, in den der Sarg hineingelegt würde. Normalerweise hätte man erwartet, daß ein Schreiber sich nur einen hölzernen Sarkophag leisten konnte. Hormin besaß einen aus rotem Granit – der auf allen Seiten mit den Bildern der Götter und heiligen Schriften verziert war.
Kysen nahm sich einen Augenblick Zeit, um drei Lampen zu entzünden und untersuchte dann den Sarkophag. Er ließ seine
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