Der Falke des Pharao
Aussage gemacht. Abu kehrte mit einer Wagenlenkerpeitsche zurück und reichte sie Meren.
Meren ließ die Peitschenschnur auf den Boden rollen und tat einen ersten Hieb. Das Leder entwand sich und berührte Selket beinahe. Die Luft vibrierte.
Selket schrie. »Nein!« Sie wandte sich an ihren Sohn. »Das ist deine Schuld. Wenn du nicht mit diesem Halsband geschnappt worden wärest – «
»Aber Djaper sagte, daß dieses Halsband die Antwort auf alles sei«, wimmerte Imsety.
Meren wurde still und fragte scharf: »Warum?«
Imsety duckte sich, starrte den Boden an und antwortete:»Ich weiß nicht, Herr. Wegen seines Wertes? Bitte, ich flehe Euch an, glaubt mir.«
»Waren das seine genauen Worte? Er sagte, daß das Halsband die Antwort sei?«
Imsety nickte und stöhnte.
»Seid still.«
Meren ging zu seinem Arbeitstisch, wo er das Einbalsamierungsmesser, das Amulett, die leere Qeres- Phiole und das Halsband hingelegt hatte.
Er sah zu seinen Gefangenen hinüber, die immer noch vor sich hin wimmerten. »Werft sie in den Kerker.«
Abu führte Imsety und Selket hinaus. Meren nahm das Halsband in die Hand und ließ die Perlenreihen durch seine Finger gleiten.
Roter Jaspis, Gold, Lapislazuli – eine kostbare Beute. Nun, da er Imsety und seine Mutter gefunden hatte, konnte er sich die Zeit nehmen, den königlichen Juwelier damit zu beauftragen, es zu untersuchen. Die Perlenschnüre wechselten sich in roten, goldenen und blauen Reihen ab und formten ein Halsband, das hinten geschlossen werden konnte. Von dem fehlenden Endstück würde ein Gegengewicht herabhängen, welches das Halsband im Gleichgewicht und an seinem Platz hielt.
Djapers Äußerung hatte sich nicht nur auf die Kostbarkeit des Halsbandes bezogen. Er hatte Imsety gesagt, daß es die Antwort sei. Die Antwort. Doch Beltis hatte behauptet, daß das Halsband ihr gehörte.
Natürlich hatte die Frau gelogen, als sie angab, nicht aufgewacht zu sein, als Hormin sie verließ. Imsety hatte ausgeplaudert, daß sie sich von ihrem Herrn in dieser Nacht verabschiedet hatte. Zweifellos wußte Beltis auch, wohin Hormin in der Nacht, in der er starb, gegangen war. Und sie war in die Nekropole geflüchtet. Sowohl sie selbst als auch Hormin waren an seinem Todestag im Dorf gewesen. Sie hatten sein Grab besucht.
Meren ließ sich in seinen Stuhl fallen, das Halsband hielt er in der Hand. Sein Blick wanderte vom Halsband zu dem Salbenkrug. Qeres, die seltene Salbe, die so wertvoll war, daß heutzutage nur noch der König und die Königin etwas davon besaßen. Früher war Qeres die hochgeschätzte Salbe der Prinzen und Edelleute gewesen. Ein Luxus, in dem vergangene Generationen schwelgten.
Seine Faust ballte sich um das Halsband und drückte zu. Vergangene Generationen. Vor langer Zeit hätte ein Prinz Qeres zu Lebzeiten benutzt – und man hätte die Salbe zu seinem Wohlgefallen im nächsten Leben in sein Ewiges Haus gelegt. Und dann das Amulett. Nebi hatte gesagt, daß dieses Amulett dazu bestimmt war, auf einen Leichnam gelegt zu werden, den Leichnam eines wohlhabenen Mannes, als Grabbeigabe. Dieses Herzamulett gehörte in ein Grab; zweifellos war in einem alten Grab auch viel von der Qeres-Salbe zu finden.
Etwas stach ihm in die Hand. Meren blickte hinab und bemerkte, daß er das Halsband fest um die Hand gewickelt hatte. Seine farbigen Ringe waren durch Zwischenperlen versteift. Djaper hatte Imsety gesagt, daß das Halsband beschädigt war und repariert werden mußte – die Verschlußstücke fehlten – aber die Goldstreben an den nicht verschlossenen Enden zeigten keinerlei Kratzer, wie man es erwarten konnte, wenn ein Falkenkopf oder ein Lotusverschluß ehemals daran befestigt gewesen wäre. Die Oberfläche der Stäbchen war glatt, unberührt, als ob ein Verschluß niemals vorgesehen gewesen wäre.
Etwas beschäftigte ihn. Eine Erinnerung. Als er sich mit Nebi unterhalten hatte, war der Juwelier sicher gewesen, daß das Amulett für einen Leichnam bestimmt gewesen war. Er hatte es an der Art und Weise erkannt, wie es vollendet worden war. Auch das Halsband war auf eigenartige Weise gefertigt. Es war nicht wirklich kaputt. Vielleicht hatte es niemals Endstücke oder ein Gegengewicht besessen. Wenn das der Fall war, dann konnte es niemals getragen werden. Und genausowenig war das Herzamulett dafür gedacht – es sei denn, sowohl das Halsband als auch das Amulett waren für jemanden bestimmt gewesen, der nicht den vollständigen Schmuck benötigte.
Der einzige
Weitere Kostenlose Bücher