Der Fall der Feste
der Enthravanin. Sah einen Schatten, etwas Dunkles, das mit großer Wucht an ihm vorbeischoss.
Und sich in den Leib der Enthravanin bohrte.
Wie ein Vogel, der seine Schwingen faltete, zogen sich die Flammenschleier auf den Ort zusammen, wo die Enthravanin jetzt mit einem harten Ruck nach hinten geschleudert wurde und zu Boden fiel. Die Bahnen aus Feuer verflatterten und der Blick auf die Umgebung wurde wieder frei.
Auric lief an ihm vorbei, zu der gestürzten Viankhuan hin. Sein Schwert hatte sie durchbohrt. Durch die Waffe, die aus ihrem Körper auf der anderen Seite wieder hervor ragte, lag sie seltsam zur Seite gekantet dort. Auric kniete nieder, packte den Griff, zog das Schwert mit Gegendruck gegen die Leiche Vinakhuans frei. Am herausfahrenden Stahl entlang glitt Viankhuan zu Boden und blieb nun endlich in einer natürlichen Lage flach auf dem Rücken liegen.
„Auch jemand, der Magie beherrscht, ist nicht gegen Stahl gefeit“, sagte er aus der Hocke zu ihnen zurückblickend. „Der Stahl muss ihn nur erreichen.“
Sie blickten einander an, in der Stille und Verwirrung, die dem Wüten entfesselter Kräfte folgte. Schock zeichnete sich auf den Mienen vieler ab. Schock, sah Darachel, und bei einigen noch etwas mehr. Grimm, sah er dort, Erbitterung. Blicke wanderten zwischen der Leiche der Enthravanin und Auric hin und her. Ihrem Mörder. Dem Mörder einer Enthravanin. Einem Menschenmann.
Er sah, wie einer von ihnen, Ceavrant, den Mund öffnete um zu sprechen, sah die Mischung von Fassungslosigkeit und Wut in seinem Blick.
Ein verkohlter Leichnam lag am Boden, einer ihrer Gefährten, den die Attacken der Enthravanin erwischt hatten. Bevor Ceavrant noch etwas sagen konnte, trat Darachel zu dem Leichnam hin und deutete auf ihn.
„Würdet ihr lieber genau so wie er tot und verbrannt am Boden liegen?“ Ceavrant hielt bei diesen Worten inne, und auch die anderen Ninraé blickten Darachel an. „Sie hat das getan, unsere Enthravanin“, fuhr er fort. „In ihrem Wahn. Und wenn sie gekonnt hätte, dann hätte sie alle von uns zu Asche verbrannt. Wenn Auric uns nicht gerettet hätte.“ Er blickte die Reihe der Gesichter entlang. „Es ist hart und grausam, gegen unsere Brüder und Schwestern kämpfen zu müssen. Es ist hart und grausam, dass wir Cenn-Vekanen in Notwehr töten mussten. Es ist hart und grausam, dass hier eine zweite Enthravanin ebenfalls in Notwehr getötet wurde. Aber unsere ganze Lage ist nun einmal hart und grausam, und wir haben keine andere Wahl.“
Er trat zu Auric, dessen ganzer Körper gespannt schien wie eine Bogensehne und der dies alles nur mit zu Stein erstarrter Miene angehört hatte. „Er hatte auch keine andere Wahl. Auric hat uns durch seine Tat gerettet.“ Er hörte ein unartikuliertes Murmeln durch die Reihen gehen. Blicke wichen dem seinen aus. Aber der keimende Aufruhr schien erstickt, ihm schien die Kraft genommen. Was davon blieb, wer konnte das wissen? Groll auf den Menschenmann, Selbsthass? Doch für den Moment war das irrelevant. Sie mussten weiter.
Er sah, wie Siganche zu ihm trat und vorsichtig seinen Arm nahm. Er schmerzte furchtbar. Schon vorher war dieser Arm durch Cenn-Vekanens Attacken verletzt worden. Der Stoff seiner Gewänder war dort weggebrannt, und darunter sah man Brandblasen und rohe, rote Haut. Doch er konnte ihn bewegen, die Verletzungen schienen nur oberflächlich zu sein. Siganche führte eine Faltung aus, die einen Teil des Schmerzes nahm. Ihre beiden anderen Heiler sah er nach dem Rest ihrer Gruppe schauen.
„Weiter!“, hörte er Auric drängen. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Auric eilte voran. Darachel warf einen kurzen Blick umher, sah, dass auch die, welche zunächst Empörung über Aurics Tat gezeigt hatten, einander ansahen und sich dann doch anschickten, ihm zu folgen. Zum Glück. Es ging um ihrer aller Leben, es ging um Himmelsriff, da konnten sie sich keine Zwietracht unter den bei Sinnen Gebliebenen leisten.
Darachel warf im Vorbeigehen einen letzten Blick auf die Leiche seiner Enthravan-Mentorin. Eine größer werdende Blutlache breitete sich um sie aus, dort wo das von Auric geschleuderte Schwert ihre Brust durchbohrt hatte.
Nur noch mehr Wahnsinn, noch mehr Verluste.
Nie hätte er gedacht, dass so etwas in Himmelsriff geschehen konnte.
Er hoffte inständig, dass es ein Später gab, ein Danach, wo dann endlich die Zeit für Trauer und Aufarbeitung des Geschehenen kommen würde. Er warf seiner Enthravanin einen
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