Der Fall der Feste
dass er ihn durch seinen Geruch als Drachenblut identifiziert hatte.
„Und die, die durch den Tod gehen müssen, werden in ihrer nächsten Verkörperung bereit sein für einen neuen Weg.“
„Meinst du damit den Weg des Drachen?“ Darachel trat auf die Lichtsäule des Silaé zu und spürte im gleichen Moment den Widerstand, als müsse er gegen einen Sturm ankämpfen. Der Avatar des kahlen Felsenmonds hatte sich ihm am Ort der Vision gezeigt und war vor ihm geschwebt. Sein Leib hatte schwer und dicht und gedrängt vor Darachel gehangen, und ungeheure Brände hatten in seinem Inneren gelodert.
„Meinst du“ sprach Darachel den Silaé an, „dass die, die überleben, so gebrochen sein werden, dass sie dem Einfluss Anaudragors unterliegen, dass die, die jetzt sterben, in ihrer Seele so gezeichnet sein werden, dass sie in ihrer neuen Verkörperung für die Einflüsse Anaudragors empfänglich sein werden?“ Darachel fühlte sich von einer Erscheinung beflügelt, die langsam in seinem Inneren gereift war, verdeckt in den Schatten, und die nun ans Licht trat.
„Ist etwa Anaudragor, ist der Alte Drache seinem Gefängnis entkommen,“ fuhr Darachel fort, „und das ist, bevor die Ninraé sich aus der materiellen Welt zurückziehen, sein letzter Versuch der Ninraé habhaft zu werden, sie auf seine Seite zu ziehen, damit sie wieder wie in uralten Zeiten dem Willen eines der Großen Feuergeister folgen?“
Sollte das der Triumph des wiedergekehrten letzten Feuergeistes sein? Die nach dem Ende der alten Feuerkriege unbeugsamen Ninraé, kurz bevor sie vom Plan der Welt verschwanden, doch noch auf seine Seite zu ziehen?
Die Erkenntnis war mit übernatürlicher Sicherheit in ihm manifest geworden.
Was hatte die dem Wahnsinn verfallene Viankhuan gesagt, was waren die Worte gewesen, die zu dem Zeitpunkt eine unerklärliche Resonanz in ihm erzeugt hatten: „Der kahle Felsenmond, er glüht wieder.“ Er hatte mit Auric in den Schriften nach Drachenzeichen gesucht, nachdem ihn bei dem, was Auric über Kinphaidranauk berichtet hatte, ein schrecklicher Verdacht überkommen hatte. Zuletzt noch, in seiner letzten Unterredung mit Viankhuan hatten sie sich darüber unterhalten, dass es unter den Weisen und Hierarchien immer geheißen habe, ein Funke Anaudragors habe sich nach dessen Austreibung in den alten Feuerkriegen in einen toten Himmelskörper, jenseits der kosmischen Barrieren, den „Schlackenmond“, retten können. Doch niemand war je darüber alarmiert gewesen, denn schließlich wussten sie ihre Welt vor jenem Funken Anaudragors, des letzten Drachen durch undurchdringliche Wälle geschützt. Hatte Anaudragor jetzt einen Weg gefunden, diese als offensichtlich unüberwindbar geglaubten Barrieren doch zu durchbrechen?
Ein rotes Glühen vor dem Domänenwall, davon hatte Bogenfall des Lichts gesprochen, als er von den Wundern der neuentdeckten Region geschwärmt hatte. Er war dort von etwas infiziert worden. Und die plötzlich in ihm erwachte Gewissheit sagte Darachel: Es war Anaudragor, es war der Drache.
Eine merkwürdige Veränderung war, während Darachel sprach, mit dem Silaé vorgegangen. Das austretende Licht, das ihn wie einen Strahlenkranz umgab, dämpfte sich zurück, der Ausdruck seines fremdartig nichtmenschlichen Gesichtes veränderte sich. Es schien, als würde der Silaé sich besinnen, als träte ein Schleier nachdenklicher Zurückgezogenheit und der Skepsis auf seine Miene. Als schien er zu bedenken und zu erwägen. Als erreichten Darachels Worte ihn in seinem Wahn.
Jetzt mit dem gleichen nachdenklichen Ausdruck reckte sich der Kopf Bogenfall des Lichts ‘ zu Darachel hin. Sein Leib bog sich dabei wie bei einem Wesen, das keine Knochen besaß. Er besitzt keine Knochen. Er ist eine reine Erscheinung aus feineren Stoffen. Die Säule aus Licht, die sein Leib war, wand sich zu ihm hin wie der Körper einer Schlange, mit dem Haupt am Ende, welches das grüblerische Gesicht Bogenfall des Lichts ‘ trug. Unwillkürlich wich Darachel zurück. Das Gesicht sah ihn mit eindringlicher Intensität prüfend an, und kam ihm dabei bedrohlich nahe vor.
„Ich weiß nichts von Anaudragor.“ Der Silaé flüsterte beinahe und blickte ihm dabei tief in seine Augen. Darachel sah in eisig blaue, flimmernde Abgründe „Aber du scheinst ja von ihm geradezu besessen zu sein. Ist dir nicht der Drache am Ort der Vision erschienen? Siehst du ihn jetzt auch überall um dich her?“
Die Miene des Silaé zeigte dabei
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