Der Fall der Feste
entdeckt, die Silchaurengespinste?“ Ihre Lippen bewegten sich und sie sprach, doch gleichzeitig hörte er mit jedem ihrer Worte eine zweite Stimme, dröhnend und grollend und den Himmel füllend. Es sprach mit ihrer Stimme und gleichzeitig der Stimme des Drachen. Aurics Leib schien mit dem Klang der Worte zu beben.
Er wusste nichts zu denken, er wusste nichts zu sagen.
Die Macht in der Gestalt Kinphaidranauks musterte ihn nur wie man ein seltsames Insekt mustert. Und sprach weiter, mit zwei Stimmen.
„Der Valkaersring hat dich erkannt, weil sich in deinem Blut die Erbzeichen der Vai-Ki‘ir finden. Sie sind eine härtere, reinere Brut.“
Ihre Hand hob sich, zeigte auf ihn.
„Aber du brauchst Übung und Anleitung, um die Merkmale und Fähigkeiten herauszuarbeiten. Dein Leben wäre sonst eine Verschwendung. Eine Verschwendung für dich und eine Verschwendung von Material.“
Anders als bei der wirklichen, körperlichen Kinphaidranauk, der er begegnet war und mit der er gekämpft hatte, zeigte dieses knochenbleiche Gesicht keine Spur einer menschlichen Regung.
„Jetzt, anders als damals, weißt du, wovon ich rede“, sagte sie, sagte der Donner des Drachen. „Und Entscheidungen gründen nun einmal auf Wissen. Du sollst noch mehr wissen, du sollst alles wissen, damit du frei entscheiden kannst.“
Der Boden war unter Auric fortgezogen, und er stürzte.
Eine Flut von Eindrücken brach über ihm zusammen.
Er wurde von ihnen umhergewirbelt, gebeutelt, durchdrungen.
Geflacker, Wogen, Emotionen. Eins nach dem anderen, eins nach dem anderen, blitzschnell, dass er sich kaum den Eindrücken stellen, dass er sie kaum identifizieren konnte. Farbe, Gefühl, Bewegung? Was war es? Dann schon wieder neues, dann schon wieder anderes Blitzgeflacker. Ein Bild.
Ein Bild tauchte immer wieder auf in dem Geistergezucke.
Ein Bild wiederholte und stabilisierte sich schließlich.
Heere, die Ebenen füllten, ein dunkles Gewimmel, Reiter an ihrer Spitze, Männer und Frauen. Er und seinesgleichen. Die Vai-Ki‘ir führten die Heere des Drachen.
Er fühlte ein dunkles Gefühl wie eine Blase in sich aufsteigen. Er fühlte ein dunkles, undefinierbares Gefühl in sich aufsteigen, während er in einem Raum in der uralten Festung des Konkurrenten des großen Idiriums saß. Er war hierher gekommen, um etwas abzuschließen. Doch dieses eine Gefühl, es ließ ihm keine Ruhe. Du weißt es. Du kannst das. Es war kein Ehrgeiz, es hatte nicht diesen kalten Stachel. Es war etwas anderes; er wusste es. Etwas, das in der Tiefe lauerte, ihm keine Ruhe ließ, ihn etwas ganz anderes tun ließ, als das, was zu tun er eigentlich hierher gekommen war.
„Wo Sie Verdienste sehen, sehe ich nur verschenkte Möglichkeiten.“ War das gerade aus seinem Mund gekommen? Vikar-Oberst Silgenja sah ihn über seinen Schreibtisch hinweg ungläubig an. Und bevor er sich versah, erklärte er Silgenja und Kelam die vor Moratraneum angewendeten Zähne des Saganchus , die taktischen Züge von Perikant und Cerikmanos, Schlachten die vor langer Zeit geschlagen wurden, in einer Zeit, die Idirium fast vergessen hatte.
Schlachten, wie er sie selber geschlagen hatte.
Die Erinnerung an jenen Traum stieg wieder in ihm auf, an den Traum, in dem er, wie er später erkannte, vom Tod des letzten Vai-Ki‘ir geträumt hatte. Das war einer jener Männer und Frauen gewesen, die diese Heere geführt hatten. Sein Vorfahr. Der Träger des gleichen Erbzeichens. Er war ihm nicht wie ein Monster erschienen, kein blutdürstiger Diener Thyrin Drachenvaters. Er war ein Mann gewesen, der sich um seine Frau und sein Kind sorgte, der sie liebte und darunter litt, sie nie mehr wiedersehen zu können. Gehetzt, verfolgt. Von den Silaé und Ninraé und Menschen ihrer Allianz. In einer dunklen Höhle hatte er sich vor ihnen verstecken müssen, entblösst des Ringes und seiner Macht. Ein Mann, der einfach das getan hatte, was er gut konnte. Der das, was in ihm war, hatte ausleben und zur Blüte bringen wollen. Seine Ambitionen und Fähigkeiten.
Er sah sich Heere über die Ebenen von Tryskenon führen. Er ließ sie in Abteilungen aufgegliedert antreten und führte sie gegen den Feind.
Er kämpfte gegen die Armee des Feindes bei den Türmen von Wankorth-Vhan.
All diese Möglichkeiten, all diese Ziele.
Dein Leben wäre sonst eine Verschwendung.
„… was immer es ist, das dich umtreibt, das dich nicht in Ruhe lässt, so dass du es einfach nicht sein lassen kannst. Du weisst,
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