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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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unterbewusst als ein Schemen in seinem Kopf trügerisch hauchfeine Gestalt angenommen hatte, sobald auch nur ein Schimmer von Bewusstsein und Kraft wieder die bleiern schwere Decke auf seinem Geist durchdringen konnte? Wie ein uralter Reflex, den man nicht aufhalten kann, hatte es sich Raum gegriffen, als er noch nicht die Kraft hatte, es zu hinterfragen, und dann war es plötzlich da gewesen wie ein alter Freund, der dir so selbstverständlich geworden ist, dass du seine Anwesenheit kaum noch zur Kenntnis nimmst.
    „Was ist los, Alter? Kommen dir plötzlich Zweifel?“
    Er wandte sich Jag zu, der schräg hinter ihm stand, sein Schwert in der Scheide mit der Spitze in den Boden gebohrt, die Arme spielerisch auf den Griff gestützt.
    „Unsere Soldaten, sie kommen gerade aus der Hölle“, sagte Auric. „Können wir das von ihnen verlangen?“
    „He, Skrimare, schau mich nicht mit diesem Gesicht an“, erwiderte Jag. „Wir kommen genauso aus der Hölle wie sie. Außerdem haben wir‘s durchgesprochen. Wer gehen will, kann gehen. Wir können hier nur noch Leute gebrauchen, die voll und ganz dabei sind. Alle anderen sind eine Belastung. Wir sind jetzt keine reguläre Armee mehr.“ Dies allerdings spiegelte sich bereits in Jags Erscheinung. Er trug nicht mehr den blauen idirischen Armeemantel – seiner war in den Kämpfen verlorengegangen – sondern einen der typischen grauen, grob gewebten Mäntel der Nordländer, den er irgendwo aufgetrieben hatte. Seine Bewaffnung bestand auch nicht mehr aus der Kombination zwischen Langschwert und regulärem Langmesser, stattdessen stak eine abenteuerliche Ansammlung von Klingen in seinem Gürtel oder hing von Halftern an ihm herab. „Lass die, die nicht mehr kämpfen wollen, mit den Verwundeten nach Zephrenaic ziehen. Für das, was wir vorhaben, ist ein kleiner entschlossener Haufen besser als eine größere Truppe, die man vorantreiben muss. Wir verlangen nichts. Wir lassen den Rest gehen, wenn das dein Gewissen beruhigt … General“, setzte er mit scharfem Schnalzen hinterher.
    Aurics streng prüfender Blick erhielt nur ein Blecken der Zähne als Antwort.
    „Warum bist du überhaupt noch dabei“, warf er dem Vraigassen zu, „statt für einen geordneten Rückzug zu stimmen. Das wäre das Normale. Wir haben unsere Pflicht getan. Die Sechzehnte ist erledigt. Keiner der konventionellen Militärs würde mehr von uns verlangen. Nach den Regeln des Militärs ist alles andere als geordneter Rückzug, Sammeln der Kräfte und Vereinigung mit den Haupttruppen kompletter Wahnsinn. Und du willst weitermachen? Warum die Verbissenheit? Du bist doch niemand mit einem Todeswunsch. Du bist doch kein mordlüsterner Irrer.“
    „Außer ich hab gesoffen, meinst du?“ Jag grinste dünn zu ihm herab. „Nein, Alter, ich hab‘ dir gesagt warum. Schon vor einiger Zeit. Und während dieser Scheiße dort oben beim Elsternforst noch einmal.“ Er richtete sich auf, griff sich sein Langschwert und klemmte es sich unter die Achsel als wäre es eine Reitgerte. „Es geht um diese verdammten bleichen Spitzohren. Das macht alles anders. Wir dürfen einfach nicht zulassen, dass sie sich in unseren Ländern breitmachen.“
    „Warum hasst du die Kinphauren so, Jag? Was ist passiert?“
    „Hassen?“ Jag gab ein bitteres Schnaufen von sich. „Die Dreckskerle flößen mir einen verdammten Horror ein, das ist es.“
    Jag machte Anstalten sich neben ihn auf den Baumstamm zu setzen und Auric rückte für ihn zur Seite.
    „Es ging los damals im Haus Trevante, du warst dabei. Diese Ruinen die wir bei unserem Ritt mit dem Senphoren im Bergland gesehen haben, die wirkten nicht gerade kuschelig. Die, in denen wir mit diesen Viechern und dem dürren, hässlichen Dreckskerl von einem Blitzeschleuderer zusammengestoßen sind, erst recht nicht. Du musstest dich nur umschauen und hast dich gefragt, He, welche kranke Brut baut denn so was?“
    Jags Blick richtete sich leer auf Aurics auf den Boden gekritzelte Zeichnung.
    „Kvay-Nan“, fuhr er fort. „Dazu muss ich dir nichts erzählen. Die Tunnel, durch die wir gekrochen sind. Den Widerwillen, den wir gespürt haben, als wir reingingen. Wie hat Ikun das genannt, was die Tunnel bewacht? Kleine Wächter oder so was. Hab ich später noch einmal mitgekriegt, als ich meine Truppe im Saikranon geführt habe. So was wie verdammte Mutter aller Kleinen Wächter zusammengenommen.“ Jag spuckte aus und verfehlte dabei das in den Boden gekritzelte Kaigrant nur knapp.

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