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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Kinphaidranauk darauf kletterte den letzten Schritt des Abhangs hinauf, Geröll bröckelte unter seinen Hufen von der Kante weg. Es war eines jener gespenstischen Reittiere, die er zuerst in seiner Söldnerzeit beim Haus Trevante gesehen hatte: seltsam lang gezogene Schnauzen, die vorne spitzer zuliefen, als das bei einem gewöhnlichen Pferd üblich war, fast wie der Schnabel eines Vogels, amphibisch wirkende Nüstern und Augen in kaltem Grau, die an ein blindes Wesen denken ließen, das aus einem dunklen Pfuhl gestiegen war, in dessen Wassertiefen kein Lichtstrahl drang.
    Kinphaidranauk saß nur starr auf ihrem unheimlichen Reittier, verhielt auf der Stelle, machte keine Anstalten, ihm weiter zu folgen, blickte ihm nur nach.
    Er drückte seinem Pferd die Stiefel in die Weichen und trieb es mit einem Schnalzen an, in den Wald hinein, hinter dem zwischen den Stämmen entschwindenden Jag her. Ein letzter Blick über die Schulter zeigte ihm Kinphaidrauk, die immer noch starr auf ihrem Pferd am Rand der Böschung saß und ihm hinterher blickte.

    „He, Alter, was ist in dich gefahren?“ Jag hockte sich zu ihm an den Rand des Baches und klopfte ihm auf die Schulter. „Du sahst aus, als hättest du einen Geist gesehen?“
    Um sie herum hatten auch die anderen ihres Trupps abgesessen, scharten sich um den von einer Waldung umgebenen Bachlauf, zogen ihren Proviant hervor, tranken aus ihren Feldflaschen oder erholten sich einfach auf dieser kurzen Rast, indem sie sich ins Gras setzten und in Gedanken vor sich hinblickten.
    „Genauso kam es mit auch vor.“ Auric starrte in die Wellen und Strudel, die das Wasser um überhängende Wurzeln und Steine zog. Es war so klar, der Bachlauf so seicht, dass man den Grund gebrochen durch die Strömung deutlich erkennen konnte. „Ich weiß nicht, was da in mich gefahren ist, aber mich hat ein so seltsames Gefühl ergriffen, als mich ihr Blick traf, das jeden Gedanken in meinem Kopf hat aussetzen lassen. Da war nur noch blanke, unerklärliche Panik.“
    „Wie bei einem Wächtergeist“, sagte Jag, zog kehlig rasselnd den Rotz durch die Nase hoch und spuckte den Brocken in den Bach. „Ich sag dir doch, diese Spitzohren haben die abgefacktesten Teufeleien auf Lager. Das ist eine seltsame Brut.“ Er trat mit dem Stiefelabsatz Brocken vom Uferrand los und beobachtete, wie sie davontrieben.
    „Und du sagst, das war ihr Anführer? Ihr berüchtigter Kinphaidingsda? Und sie ist eine Frau?“
    „Ja, ich bin mir absolut sicher, dass sie das war.“
    Jag wippte auf den Hacken hin und her, nickte ein paar Mal vor sich hinstarrend schwer und nachdenklich mit vorgeschobenem Kinn. „Dann ist das wohl so.“
    „Man könnte natürlich glauben“, kamen die Worte aus Auric heraus, während er auf die verwirbelt plätschernde Wasserfläche schaute, „sie hat uns nicht weiter verfolgt, weil ihr klar wurde, dass ihr Trupp ihr nicht so schnell den Abhang hinauf hinterherkommen könnte, und dass sie, wenn sie die Verfolgung aufnähme, allein gegen eine Übermacht stände. Aber irgendwie glaube ich das nicht.“
    Es hatte etwas Absichtsvolles darin gelegen, wie sie am Rand der Böschung angehalten und ihm hinterher geblickt hatte, das nichts mit Vorsicht zu tun hatte.
    „Verdammt, wir hätten sie kriegen können. Wenn ich nur nicht den Kopf verloren hätte.“
    „Vielleicht hätten wir das“, sagte Jag. Es klang nicht sehr überzeugt.

    Da war eine lodernde, fauchende, ewig sich hinziehende Hölle aus Blut, Verstümmelung, Grauen und Sterben gewesen, von Menschen, die man kennt und die zu rohem, totem Fleisch gehackt werden und zurück in Leblosigkeit fallen, in den Grund des Berges aus Knochen und Verwestem, auf dem man steht, um weiter in die menschenzermahlende Schlächterei zu blicken, die einfach kein Ende nehmen will.
    Er war durch den Alptraum gegangen und war fast in ihm verschwunden, wie der leise glimmende Funke am Ende eines Dochtes, der in einem Meer von Nacht und Sinnlosigkeit verlöschen will. Langsam war er aus dem Nebel des Vergessens erwacht.
    Er hatte sich taub und schwer und zerschlagen gefühlt. Wenig von ihm war übrig geblieben. Nicht das Feuer, auch nicht jenes Unauslotbare in der Tiefe, das ihn sonst immer ruhelos antrieb. Nur eine leere Hülle. Bloße Schlacke, spröde und hart, die sich anfühlte, als könnte jeder Windzug sie zerbröckeln lassen und die überraschenderweise dennoch hielt.
    Eine leere, mordgeschwärzte Kruste, durch die hohl die Alpträume von Czands Tod

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