Der Fall der Feste
gesehen hatte. Er fragte sich kurz, ob der Kyprophraig, genau wie die zusätzliche Abteilung Kinphauren, mit der sie nicht gerechnet hatten, schon vorher, vor dem Eintreffen der von dem Homunkulus geführten Truppe in der Kinphaurenfeste gewesen war, oder ob er diese Feste erst durch einen solchen Riss mit einer blau lodernden Hölle dahinter betreten hatte, ob er vielleicht die ganze zusätzliche Abteilung von Kinphauren durch einen solchen Spalt im Raum mit sich gebracht hatte. War so etwas möglich? Wahrscheinlich würde er es nie erfahren.
Der Kyprophraig war wahrscheinlich längst aus dem Gang herausgetreten, durch den er sie verfolgt hatte, und hatte den neuen Korridor vor sich leer vorgefunden. Suchte den Raum mit den an der Spitze der Schädelfortsätze weit auseinander liegenden Augen nach ihnen ab. Oder war ihnen schon in die weite, hohe Kammer gefolgt. Er sah zur Seite, blickte in die Augen von Nefraku, der sich genau wie er selber hinter einem Pfeiler derselben Reihe versteckte, sah hinter ihm andere seiner Leute im Schatten von Pfeilern. Der Kyprophraig musste nur dieses Labyrinth betreten, dann hatten sie eine Chance, an in heranzukommen.
Er hörte ein leises Fauchen und Rasseln. Das war er, er kam näher. Das war sein Atemgeräusch, das Einsaugen von Luft durch die Atemschlitze in seinem Schädel, das flatternde, bebende Ausatmen. Unmöglich genau zu lokalisieren, woher es kam. Die Größe der Halle, die Komplexität der Kinphaurenfeste ringsumher verwirrte und brach jeden Klang. Er vermutete, dass der Kyprophraig sich durch den hochragenden Raum der Halle ihrem Versteck, dem Pfeilerlabyrinth um den Lichtschacht herum, näherte.
Nefraku begegnete seinem umherschweifenden Blick mit stoischer Miene. Merkwürdig, er hatte gedacht, der Habburani würde sich unter denen befinden, die zuerst die Gelegenheit nutzen würden, sich nach der verlorenen Schlacht aus dem Kampf gegen die Kinphauren abzusetzen, gerade nach den Differenzen, die sie in Idirium wegen seines Handels mit Gunwaz miteinander gehabt hatten. Und jetzt war er unter den Letzten, die bei ihm verblieben waren. Was zeigte, wie wenig man Menschen ergründen konnte. Oder vielleicht hatte Czand ja recht gehabt, und er verstand Menschen nicht wirklich, er war zwar klug aber nicht weise.
Wieder ein leises Atemgeräusch des Kyprophraigen, diesmal näher. Er glaubte, auch das Scharren einer Annäherung auf dem Stein des Hallenbodens zu vernehmen. Alles war abgesprochen, so kurz und knapp wie das möglich war; der Kyprophraig musste zu ihnen gelockt werden.
Er schob seinen Kopf um die Kante des Pfeilers herum. Wie er angelockt wurde, war schließlich egal; sollte der Kyprophraig ihn doch ruhig sehen. Da waren vor ihm weitere seiner Leute hinter weiteren Pfeilern. Und da war der Kaprophraig, in der Weite der Halle. Er wirkte darin verloren und fremdartig vor dem entfernten Hintergrund einer Kolonnade kinphaurischer Pfeiler, hinter der sich der Eingang zu dem Gang befand, aus dem auch sie selber gekommen waren. In der staubdurchwehten Ebene aus Stein wirkte er wie eine bizarre riesige Pflanze, die sich den Weg durch die Ritzen des kinphaurischen Bauwerks gesucht hatte, und sich nun wand, um vollständig aus dem Spalt freizukommen. Das kürzere, krebsähnliche Armpaar war an den Körper angelegt, das zweite spinnengleich lange war vorgestreckt, im rechten Winkel am Gelenk abgeknickt, in vager suchender Bewegung. Die langen, knochendünnen Finger streiften und tasteten noch immer ruhelos in der Luft umher, als hielten sie ein Gewebe offen, ein helles, verflatterndes Knistern umspielte die Spitzen der Fingerglieder. Der Kopf drehte sich immerzu – aufwärts, seitwärts, rotierte im Halbkreis, wie eine unbelebte Vorrichtung, die stumpf und manisch nur immer dem gleichen in sich gebrochenen Ablauf folgen konnte.
Der Kopf zuckte plötzlich in ihre Richtung und verharrte so. Das peitschende Schnalzen einer Flachbogensehne. Der falbe Weidenarm des Kyprophraigen flatterte abwehrend durch die Luft, lenkte irgendwie den Pfeil ab, dass er den großen dürren Torso nur streifte. Das Atemgeräusch schwoll zu einem schrillen Quäken an, das sich wie ein Bohrer durch seine Nerven fräste.
Auric sah den Schützen nicht, er war für ihn verdeckt durch Pfeilerreihen, doch es musste ihrer Verabredung entsprechend Vortig sein. Der Kyprophraig setzte sich schlagartig in Bewegung, mit methodisch schnellen Schritten kam er auf die Pfeilerreihen zu. Ein Fauchen und
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