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Der Fall des Lemming

Der Fall des Lemming

Titel: Der Fall des Lemming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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einen Hinweis darauf …
    Die Katze ist tot. Die Rätsel mehren sich. In Grinzingers kleinem Paket steckt, sorgsam eingeschlagen in ein Stück Plastikfolie, eine Brille. Eine alte Nickelbrille, deren linkes Glas zersprungen ist. Sonst nichts.

    Die Lichter des Busses erhellen die Nacht. Der Lemming steigt ein, gebeugt, in Gedanken versunken, sitzt dann am Fenster, starrt hinaus in die Finsternis.
    Er ist der einzige Passagier. Die Touristen sind längst in die Stadt und in ihre Hotels zurückgekehrt, um sich für das Wiener Nachtleben frisch zu machen. Aber ehe die Türen zuklappen, betritt noch jemand den Bus, trottet den Fahrgastraum entlang und nimmt neben dem Lemming Platz.
    «Ihrer?»
    Es braucht seine Zeit, bis der Lemming versteht. «Wie bitte?»
    «Ob des Ihrer is.»
    Der Fahrer zuckt die Achseln und gibt Gas.
    An der Seite des Lemming sitzt mit geblecktem Gebiss und glasigem Blick der Hund.
    DIE REINE WAHRHEIT VOM 16.   3.   2000
    Entsetzliche Bluttat im Wienerwald – Polizei steht vor einem Rätsel.
    Kurz vor Redaktionsschluss der «Reinen» erreichte uns folgende Meldung: Gestern, Mittwoch, wurde der 61-jährige Doktor Friedrich G. unweit der Aussichtswarte am Kahlenberg tot aufgefunden. Der wehrlose Rentner dürfte am helllichten Tag zum Opfer eines brutalen Gewaltverbrechens geworden sein. Die Polizei ermittelt gegen Unbekannt. Die «Reine» aber fragt:
    Können sich die Wiener jetzt nicht einmal mehr in ihrem grünen Ausflugsparadies sicher fühlen?

5
    Es ist eine schläfrige Heimfahrt gewesen. Eine gute Heimfahrt, anfangs jedenfalls. Tief unten die glitzernden Lichter der Stadt, ins Wiener Becken gegossen wie eine Hand voll Brillanten, oben im Bus das sanfte Wippen der Achsen, das Brummen des Motors, die sich verströmende Wärme. Bald hat der Schlummer den Lemming umfangen, er ist eingedöst und erst, als die Strecke kurvenreich wurde, wieder erwacht. Neben ihm der Hund mit gesenktem Kopf und offenen Augen, die rosa Zungenspitze zwischen den Zähnen. Irgendwann hat der Lemming den Arm um das Tier gelegt, hat es festgehalten und davor bewahrt, vom Sitz zu kippen. Einträchtig schwankend im Rhythmus der Serpentinen, so saßen sie, entspannt und schlaftrunken der eine, apathisch und weggetreten der andere. Lange, sehr lange her, dass der Lemming jemanden im Arm gehalten hat.
    Als sie die Höhenstraße hinter sich gelassen und sich der Endstation in Heiligenstadt genähert haben, da hat der Lemming nach der kleinen Metallplakette am Halsband des Hundes gegriffen. Keine amtliche Hundemarke, weder Anschrift noch Telefonnummer, nur ein schmuckloses rundes Stück Nickel, und darin eingestanzt sechs Buchstaben. Ein Name, wahrscheinlich der Name des Hundes: Castro .
    Schließlich waren sie in Heiligenstadt, und damit haben auch die Probleme wieder begonnen. Eine gute halbe Stunde hat es gedauert, den Hund aus dem Wagen zu hieven, mit Hilfe des Fahrers, der für ein sattes Trinkgeld mit angepackt hat. Dann der Weg von der Bus- zur U-Bahn-Haltestelle, hundert Meter, kaum mehr. Eine geschlagene Stunde hat der Lemming mit Castro für diese Strecke gebraucht, gezählte acht Zwischenstopps hat das Tier eingelegt, bis es endlich im Zugwaggon saß. Und dort hat Castro seinen nächsten manischen Anfall bekommen. Aber genug. Es ist acht Uhr zweiunddreißig am Morgen und also höchste Zeit zu gehen. Im Spiegel prüft der Lemming noch einmal den Sitz der Krawatte, die er sich heute zu Ehren des alten Cerny umgebunden hat. Er wirft einen letzten Blick in die Badewanne, aus der ein tiefes, sonores Schnarchen ertönt, schließt leise die Tür des Badezimmers hinter sich, drückt aber dann noch einmal die Klinke hinunter und lässt die Tür nur angelehnt. Sein neuer Mitbewohner hat sich seinen Schlafplatz selbst ausgesucht.
    Um Punkt neun betritt der Lemming den Empfangsraum der Detektei Cerny und Cerny in der Elisabethstraße nahe der Oper. Die mitfühlende Leidensmiene der Vorzimmerdame lässt nichts Gutes erahnen. Dass es aber zwei verschiedene Stimmen sind, die durch die gepolsterte Tür des Chefbüros dringen, lässt das Schlimmste befürchten.
    «Wenigstens», begrüßt ihn Cerny mit einem Blick auf die Uhr, «wenigstens.»
    Der Alte hängt in seinem schwarzen Ledersessel wie ein flügellahmer Rabe, und ihm gegenüber, auf der anderen Seite des breiten Schreibtisches, sitzt der Bluthund, der ihm die Federn ausgerissen hat, sitzt, breitbeinig und selbstgerecht, Krotznig.
    «Meisterleistung, Wallisch,

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