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Der Fall des Lemming

Der Fall des Lemming

Titel: Der Fall des Lemming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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war ohnehin im Kaffee Neumann , wenn ich mich recht erinnere –, also, da sind wir zusammengesessen, einige Schüler aus der Klasse, und haben kindische Pläne geschmiedet. Wie wir’s den Professoren heimzahlen können, eines Tages, wenn wir die Schule hinter uns haben. Nichts als jugendlicher Übermut, reine Koketterie, verstehen Sie? Einer von uns hat damals gemeint, wenn man einem Lateinlehrer etwas antun will, dann muss man es an den Iden des März machen, wie beim alten Cäsar. Also mehr war da wirklich nicht. Nur irgendwie hat es die Runde gemacht, und plötzlich ist die Sieben B als Iden-Club dagestanden …»
    «Ja, na sicher», sagt Krotznig, «mir waren doch alle jung einmal … Und haben S’ noch im Kopf, also wer alles von die anderen Schüler … Jetzta scheißt aber der Hund drauf!»
    Ein Piepsen ertönt in Albert Söhnleins Büro und dringt durch die Ritzen in des Lemming finsteres Gefängnis.
    «Depperts Handy, depperts! Verzeihung … also, die Technik, ned wahr, die Technik …»
    Krotznigs Ledermantel knarrt. Er kramt jetzt wohl in den Taschen und sucht sein Telefon, die Quelle des monotonen Geräusches. Nach einer Weile verstummt das Piepsen – Krotznig scheint fündig geworden zu sein.
    «Alsdann, Scheißg’raffel … Ja, so Leid, als es mir tut, aber … Termine, Termine, das wird für Ihnen ja auch … also geläufig sein. Herr Direktor … meine Verehrung … mir bleiben in Kontakt, gell …»
    Die grauen Zellen des Lemming arbeiten auf Hochtouren. Er kennt es, er kennt dieses Piepsen, es ist das gleiche, das er am Mittwoch gehört hat, im Wald auf dem Kahlenberg. Eine Erinnerungshilfe also, eine Art Handy-Wecker, eingestellt auf jene bestimmte Minute, in der es zu erwachen oder etwas Wichtiges zu tun gilt. Erwachen wollte Grinzinger sicher nicht; seinen letzten Schlaf hat er erst später angetreten. Aber woran wollte er dann erinnert werden, ehe er die Polizei anrief und sich hinterrücks erschlagen ließ?
    Nebenan herrscht Stille. Aufatmen. Krotznig hat den Raum verlassen. Aber dann greift Huber den Faden wieder auf.
    «Wer? Wer war dabei? Beim Iden-Club?»
    «Ich glaube … wir waren so gut wie komplett. Bis auf einen oder zwei vielleicht … Aber nochmals, Herr Kommissar, wir waren jung und dumm damals, und es ist über zwanzig Jahre her … Ich meine … Was dem Doktor Grinzinger passiert ist, kann keiner von uns ernsthaft gewollt haben. Das … das hat er nicht verdient, schon gar nicht nach so langer Zeit. Im Grunde ist er … Natürlich war er streng, aber er ist kein schlechter Lehrer gewesen.»
    «Verstehe», sagt Huber jetzt, «verstehe. Nun, dann will ich Sie nicht länger … Nur eine letzte Frage noch, wenn Sie gestatten.»
    «Bitte.»
    «Haben Sie eine Ahnung, was aus Ihren Schulkameraden geworden ist? Gab es so etwas wie Jahrestreffen?»
    «Nein. Nie. Die meisten waren, ehrlich gesagt, froh, als nach der Matura alles vorbei war. Keine Zeit, an die man sich besonders gerne erinnert. Ich weiß nur, dass der Ressel, Bruno Ressel, Mitte der Achtziger einen Autounfall gehabt hat. Querschnittgelähmt seither. Und der Khan, der Inder, ist nach dem Studium nach Indien zurück. Software-Ingenieur, glaube ich … Moment, da war noch … genau, der Dieter Gonda. Der ist angeblich vor ein paar Jahren gestorben. An Aids, hat es geheißen. Furchtbar …»
    «An Aids. Ja, das wissen wir bereits …»
    «Ach, und fast hätt ich’s vergessen … mit dem Peter Pribil habe ich sogar noch Kontakt. Geschäftlichen Kontakt. Wurstwaren Pribil kennen Sie wahrscheinlich, das ist die Fleischereikette seines Onkels. Der Peter ist da Geschäftsführer, in der Filiale drüben am Hohen Markt. Er beliefert unsere Küche, und ich muss sagen, beste Qualität, und immer pünktlich. Aber davon abgesehen hab ich wenig mit ihm zu tun. Sie wissen schon: Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps …»
    «Pribil, verstehe … Ja also, dann bedanke ich mich, dass Sie uns Ihre Zeit … und sollte Ihnen noch etwas einfallen, melden Sie sich bitte … das ist die Nummer.»
    «Selbstverständlich, Herr Kommissar.»
    Und jetzt, denkt der eingekeilte Lemming, sei höflich, Söhnlein! Sei höflich, ich flehe dich an! Bring deinen Gast zur Tür, zum Fahrstuhl, hinunter ins Foyer, bring ihn meinetwegen bis nach Timbuktu, aber mach, dass du aus diesem Büro verschwindest!
    «Und verzeihen Sie mir, wenn ich Sie nicht hinunterbegleite», sagt Söhnlein jetzt zu Huber. «Ich habe heute wirklich

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