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Der Fall (German Edition)

Der Fall (German Edition)

Titel: Der Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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liefern mir gar keine Mühe bereitete. Aber plötzlich fing ich an, die Verquickung als Methode der Verteidigung zu empfehlen. Nicht jene von der modernen Inquisition zur Vollkommenheit ausgebildete Verquickung, die darin besteht, gleichzeitig einen Dieb und einen ehrlichen Mann zu richten, um dem Letzteren die Verbrechen des Ersteren aufzuhalsen. Es handelte sich im Gegenteil darum, den Dieb zu verteidigen, indem man die Verbrechen des Redlichen, im gegebenen Fall des Rechtsanwalts, herausstellte. Diesen Punkt setzte ich mit aller Deutlichkeit auseinander.
    «Nehmen wir an», sagte ich, «ich habe die Verteidigung irgendeines rührend hilflosen Bürgers übernommen, der aus Eifersucht zum Mörder geworden ist. Bedenken Sie doch, meine Herren Geschworenen, würde ich sagen, wie verzeihlich es ist, sich zu erbosen, wenn der an sich gute Mensch durch die Tücke des Geschlechts auf eine harte Probe gestellt wird. Ist es denn nicht viel schwerwiegender, sich auf dieser Seite der Schranke zu befinden, an dem Platz, an dem ich stehe, ohne je gut gewesen zu sein oder als Betrogener gelitten zu haben? Ich bin frei, Ihrem strengen Gericht nicht unterworfen, und doch, wer bin ich? Ein Ausbund von Dünkel, ein Lustbold und Zornbock, ein König der Tagediebe! Ich habe niemanden umgebracht? Noch nicht, zweifellos! Aber habe ich nicht verdienstvolle Geschöpfe sterben lassen? Vielleicht. Und vielleicht bin ich bereit, es wieder zu tun. Während dieser hier, schauen Sie ihn bloß an, es garantiert nicht wieder tun wird. Er kann es noch gar nicht fassen, dass er so gründliche Arbeit geleistet hat.»
    Diese Rede verwirrte meine angehenden Kollegen ein wenig, bis sie sich nach einer Weile entschlossen, darüber zu lachen. Endgültig beruhigt waren sie, als ich zur Schlussfolgerung kam und voll Beredsamkeit von der Persönlichkeit des Menschen und seinen supponierten Rechten sprach. Diesmal hatte die Gewohnheit noch gesiegt.
    Durch die Wiederholung solcher harmlosen Seitensprünge gelang es mir indessen nur, die öffentliche Meinung etwas irre zu machen, nicht aber, sie zu entwaffnen, und vor allem nicht, mich selbst zu entwaffnen. Das Erstaunen, dem ich gewöhnlich bei meinen Zuhörern begegnete, ihr ein bisschen abwehrendes Unbehagen, gar nicht so verschieden von dem, das Sie an den Tag legen – nein, nein, protestieren Sie nicht! –, brachten mir keinerlei Linderung. Sehen Sie, es genügt nicht, sich anzuklagen, um seine Unschuld zu beweisen, sonst wäre ich das reinste Lamm. Man muss sich auf eine bestimmte Art anklagen, die herauszufinden mich viel Zeit gekostet hat und die ich erst entdeckte, als ich ganz und gar vereinsamt war. Inzwischen schwebte weiterhin das Lachen um mich, ohne dass es meinen planlosen Bemühungen gelang, ihm das Wohlwollende, beinahe Zärtliche zu nehmen, das mir wehtat.
    Aber mir scheint, die Flut setzt ein. Unser Schiff wird gleich fahren, der Tag geht zur Neige. Schauen Sie, dort oben versammeln sich die Tauben. Sie drängen sich aneinander, sie bewegen sich kaum, und es dunkelt. Wollen wir schweigend diese etwas unheimliche Stunde auskosten? Nein? Ich interessiere Sie? Zu gütig von Ihnen. Übrigens besteht jetzt die Möglichkeit, dass ich Sie wirklich interessiere. Bevor ich Ihnen jedoch erkläre, was Buß-Richter sind, muss ich Ihnen von der Ausschweifung sprechen und vom Un-Gemach.

 
     
    Sie täuschen sich, mein Lieber, das Schiff fährt sogar ziemlich schnell. Aber die Zuidersee ist ein totes Meer, oder doch beinahe. Bei ihren flachen, im Dunst verschwimmenden Ufern weiß man nicht, wo sie anfängt, wo sie aufhört. Darum finden wir nirgends einen festen Punkt, an dem wir unsere Geschwindigkeit abschätzen könnten. Wir fahren, und alles bleibt unverändert. Das ist keine Schifffahrt, das ist Traum.
    Im griechischen Archipel zum Beispiel hatte ich den entgegengesetzten Eindruck. Unaufhörlich tauchten im Rund des Horizonts neue Inseln auf. Ihr baumloses Rückgrat zeichnete die Grenze des Himmels ein, und ihr felsiges Ufer hob sich deutlich vom Meer ab. Nichts Verwischtes – im scharfen Licht wurde alles zum Anhaltspunkt. Und obwohl unser kleines Schiff nur langsam dahinkroch, hatte ich das Gefühl, Tag und Nacht auf den Kämmen der kurzen, kühlen Wellen in einem von Schaum und Lachen erfüllten Wettlauf unablässig von Insel zu Insel zu hüpfen. Seit jener Zeit treibt irgendwo in mir, am Saum meines Gedächtnisses, Griechenland selber unermüdlich dahin … Oho, nun lasse auch ich mich

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