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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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verbracht haben?«
    Â»Das habe ich Ihnen schon erklärt, Monsieur.«
    Â»Sie haben mich angelogen, weiter nichts.«
    Alberts Gesicht überzog sich mit jäher Röte. Unruhig und gespannt zugleich, sah er sein Gegenüber an. »Ich weiß jetzt alles«, fuhr Daburon fort. Ȇber alles, Monsieur, was Sie an dem betreffenden Abend getan haben, bin ich im Bilde. Ich sagte Ihnen doch: Das Gericht erfährt alles, was von Wichtigkeit ist.«
    Er machte eine Pause und sah Albert fest an. Der versuchte, seinem Blick auszuweichen.
    Â»Mademoiselle d’Arlanges war heute morgen schon bei mir.«
    Daburon beobachtete, wie Alberts Züge sich entkrampften und wie sich ein schwer zu beschreibender Ausdruck von Erleichterung und Freude über sie ausbreitete. So sieht also jemand aus, dachte Daburon, der nicht mehr an seine Rettung geglaubt hat und der wie durch ein Wunder einer großen Gefahr entronnen ist. Vielleicht ist es auch die Freude, die ihm jetzt den Mund verschließt.
    Â»Sie hat mir erzählt, wo Sie am Dienstagabend gewesen sind«, fuhr Daburon fort. Doch der Gefangene sagte noch immer nichts.
    Â»Befürchten Sie nicht, ich könnte Sie in eine Falle locken«, redete Daburon Albert zu. »Sie hat mir wirklich alles erzählt.«
    Nun sprach auch Albert, und seine Aussage deckte sich bis aufs kleinste mit dem, was der Untersuchungsrichter vor kurzem von Claire gehört hatte.
    Mademoiselle d’Arlanges Glaubwürdigkeit war erhärtet, der letzte Zweifel beseitigt. Jetzt blieb für Daburon nur noch die Frage, ob Albert unschuldig oder ob Claire seine Komplizin war. Aber diesen flüchtigen Gedanken wies er sogleich von sich.
    Â»Sie haben mich zu täuschen versucht, Monsieur«, sagte er wenig freundlich, »und damit Ihre Freiheit aufs Spiel gesetzt. Ganz abgesehen davon, daß Sie das Gericht der Gefahr ausgesetzt haben, einen Justizirrtum zu begehen. Warum das alles?«
    Â»Mademoiselle d’Arlanges mußte sich auf meine Verschwiegenheit verlassen können.«
    Â»Und um dieser Diskretion willen wären Sie aufs Schafott gegangen?« Daburon konnte den Spott nicht aus seiner Stimme heraushalten. »Sehr nobel, Monsieur, das muß ich sagen, auch wenn es mich an das Gebaren der alten hohlköpfigen Ritter erinnert.«
    Â»Ach, Monsieur, Sie haben alles Recht, über mich zu lachen. Ich bin kein Held, und ich müßte lügen, wenn ich sagte, daß ich nicht mit Claire gerechnet habe. Ich wußte, daß sie sich bedingungslos für mich einsetzen würde, sobald sie von meiner Verhaftung erführe. Und ich hatte Angst, man könnte die ganze Affäre vor ihr verheimlichen. Wie ich mich dann verhalten hätte – ich bin ganz ehrlich –, ich weiß es nicht.«
    Daburon quittierte die bescheidene Aufrichtigkeit des jungen Mannes mit einem Lächeln. Fast tat es ihm leid, daß er ihn seine Ironie hatte spüren lassen, und so sagte er freundlicher: »Leider kann ich Sie noch nicht entlassen, Sie müssen in Ihre Zelle zurück. Aber ich werde Anweisung geben, Sie wie einen Verhafteten zu behandeln, dessen Unschuld wahrscheinlich ist.« Albert verbeugte sich und ließ sich abführen. Selbst seinem Gang sah man die Erleichterung an.
    Â»Jetzt zu Gevrol!« sagte Daburon.
    Â»Gevrol ist auf die Präfektur befohlen worden«, erwiderte Constant. »Aber der Mann mit den Ohrringen wartet schon eine ziemliche Zeit in einem Nebenraum.«
    Â»Dann führ ihn vor.«
    Der Mann, der mit wiegendem Seemannsschritt das Büro betrat, war untersetzt und weißhaarig. Seine Haut hatten Wind und Wetter gegerbt. Das Auffälligste an ihm waren die Ohrringe in Form eines Ankers. Verlegen seinen breitrandigen Hut in seinen rissigen Händen drehend, ging er zum Tisch des Untersuchungsrichters. Daburon musterte ihn eine Weile. Das mußte »der Mann mit dem roten Gesicht« sein, den einer der Zeugen in Jonchére beschrieben hatte. Wenn ihn seine Menschenkenntnis nicht trog, dann stand da ein offenherziger, ehrlicher Mensch.
    Â»Ihren Namen, bitte«, begann Daburon die Vernehmung.
    Â»Marie Pierre Lerouge.«
    Â»Sind Sie mit Claudine Lerouge verwandt?«
    Â»Ich bin ihr Mann, Monsieur.«
    Da lebt also der Ehemann der Ermordeten noch, die wir für eine Witwe gehalten haben, dachte Daburon. Freilich sind die Recherchen nach Madame Lerouges Vergangenheit noch nicht abgeschlossen. Aber

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