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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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Haufen Geld, und ich war wütend, weil ich kein Geld mag, von dem ich nicht weiß, wie es verdient worden ist. Aber sie wollte mich beruhigen und sagte: ›Hör zu, das ist nicht das letzte, was wir daran verdienen können.‹ Und ich fragte: ›Woran?‹ Sie sagte: ›Der Graf hat ein gleichaltriges Kind mit seiner Frau, will aber, daß der Kleine hier seinen Namen trägt und nicht der andere. Und dabei soll ich helfen. In einen Gasthof, wo wir Rast machen, kommen auch Germain und die Amme mit dem anderen, dem ehelichen Kind. Wir alle werden in einem Zimmer übernachten, und ich soll, wenn alles schläft, die beiden Säuglinge vertauschen. Das ist ganz einfach, weil sie sich sehr ähnlich sehen. Dafür bezahlt der Graf achttausend Francs und jedes Jahr noch einmal tausend Francs.‹«
    Â»Und das haben Sie zugelassen?« rief Daburon. »Sie sind mir ein feiner Ehrenmann! Ein Wort von Ihnen hätte genügt, diese Gemeinheit zu verhindern!«
    Â»Moment, Herr Richter«, sagte der Seemann ruhig, »Sie müssen mich zu Ende erzählen lassen.«
    Â»Dann erzählen Sie ...«
    Â»Also, mir war erst mal speiübel, so wütend war ich. Aber Claudine lachte nur, als sie mein Gesicht sah. ›Du bist verrückt, ein Dummkopf‹, sagte sie dann, ›hör zu, ehe du dich giftest. Also: Nur der Graf will, daß die Kinder vertauscht werden. Er bezahlt mich ja auch dafür. Seine Geliebte ist dagegen. Sie tut zwar so, als mache sie alles, was der Graf will. Sie möchte es nicht mit ihm verderben. Sie hat aber ihren eigenen Plan, und als ich bei ihr war, hat sie ihn mir verraten. Ich mußte ihr auf ein Kruzifix schwören, daß ich niemand was davon sage. Also: Sie will sich um keinen Preis der Welt von ihrem Kind für immer trennen und ein anderes aufziehen. Und sie gibt mir noch einmal zehntausend Francs und eine Rente von tausend Francs jährlich, wenn ich die Kinder nicht vertausche und dem Grafen gegenüber so tu’, als hätte ich sie vertauscht. Und ich sollte gar nicht erst versuchen, sie zu hintergehen. Ihr Kind hätte nämlich ein Zeichen an sich, an dem sie es sofort erkennt. Sie hat es mir nicht gezeigt, und ich habe den Kleinen vergebens danach abgesucht. Na, das soll mir auch egal sein. Ich brauche nichts zu tun, muß nur dem Grafen sagen, ich hätte die Kinder vertauscht. Und von beiden Seiten kriegen wir Geld, und unser Jacques wird einmal ein reicher Mann! Was hältst du jetzt von deiner Frau? Hat sie nun mehr Verstand als du oder nicht? Das hat Claudine mir damals gesagt.«
    Der Seemann zog ein blaukariertes Taschentuch aus der Hose und schnaubte sich heftig die Nase, wahrscheinlich vor Erleichterung darüber, daß er diesen Teil seiner Geschichte hinter sich gebracht hatte.
    Daburon fehlten die Worte. Dieser Fall zeigte sich immer wieder in einem anderen Gewand. Kaum hatte er sich ein bestimmtes Bild gemacht, so kamen neue Tatsachen ans Licht, die alles ganz anders aussehen ließen. Der Mann dort vor ihm, das wußte er, durfte um keinen Preis mehr unterbrochen und dadurch verärgert werden. Sollte er doch so weitschweifig erzählen, wie er mochte. Er, Daburon, wollte nur noch Ohr sein. »Das war natürlich ein hundsgemeiner Trick, auf den Claudine da eingestiegen war«, fuhr Lerouge fort, nachdem er sein Taschentuch wieder eingesteckt hatte. »Und Sie können mir glauben, daß ich mich mit Händen und Füßen gesträubt habe. Aber sie ließ nicht locker, erklärte mir, daß keiner einen Schaden bei dieser Sache hätte und daß unser Jacques sein Glück machen würde. Ich hab’ schließlich den Mund gehalten und mich abgefunden. Am Abend dann, als wir in einem Städtchen in einem Gasthof abstiegen, war Germain schon da. Auch eine Amme, die ein Kind auf dem Arm hatte. Das sah dem von Madame Gerdy sehr ähnlich. Inzwischen hatte ich mir überlegt, wie ich sichergehen könnte, daß Claudine die zweite Geschichte nicht einfach erfunden hatte, um mich zu beruhigen. Ich nahm mir also vor, unser Kind, ich meine das von der Gerdy, nicht aus den Augen zu lassen. Den ganzen Abend hielt ich es auf den Knien, und um sicherzugehen, band ich ihm mein Halstuch um den Bauch. Nach dem Abendessen stellte es sich ’raus: Es waren nur noch zwei Zimmer und zwei Betten frei. Der Wirt sagte, die beiden Ammen könnten mit den Kindern doch in dem einen, und

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