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Der Fall Sneijder

Der Fall Sneijder

Titel: Der Fall Sneijder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Paul Dubois
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hatte früher einen Laville gekannt. Er war auch Arzt gewesen. Aber er hatte an den Knochen herumgedoktert. Er wurde von keinem anderen Ehrgeiz angetrieben, als zu heilen, zu schrauben, zu sägen, geradezurücken, nützlich zu sein. Jedem Patienten die Anmut seiner Bewegung zurückzugeben, die gebrochene Geste zu rekonstruieren. So zusammengesetzt konnte das Leben, mit Hilfe seiner Geduld und seiner Werkzeuge, weitergehen. Genau betrachtet war der einstigeLaville das genaue Gegenteil dieses Laville hier, der seine Finger nie in irgendetwas hineinsteckte und auch keine Eisenwaren benutzte, um die ihm anvertrauten Seelen wieder aufzurichten, sondern sich darin begnügte, sie mit geeigneten Substanzen in Schranken zu halten.
    »Zunächst einmal muss ich Ihnen eine Reihe von Dingen mitteilen. Entsprechend der Gesetzeslage bildet das nun folgende Gespräch die Grundlage für ein medizinisches Gutachten, das entsprechend dem üblichen Verfahren Ihre geistige Zurechnungsfähigkeit überprüfen wird. Dieses Verfahren wurde von Ihrer Familie angestrengt, weil sie Sie weder für fähig hält, Ihren Gesundheitszustand zu beurteilen, noch Ihre eigenen Interessen zu vertreten. Sollte sich Ihre Unzurechnungsfähigkeit bestätigen, gilt sie nur vorübergehend und kann im Fall einer Verbesserung Ihres Zustandes wieder aufgehoben werden. Haben Sie dazu Fragen?«
    »Meine Familie hat um meine Entmündigung gebeten, ist das richtig?«
    »Gewissermaßen.«
    »Aber aus welchem Grund?«
    »Genau das wollen wir versuchen herauszubekommen. Ich werde Ihnen faktische Fragen stellen und bitte Sie darum, sie so einfach wie möglich zu beantworten.«
    Da begriff ich, dass ich nicht nach Dubai reisen würde, dass mein Ticket auf dem Schreibtisch einstauben, dass ich monate-, vielleicht jahrelang hier eingesperrt bleiben würde. Die Falle der Kellers war zugeschnappt. Ich hatte nichts kommen sehen. Ich hätte im Aufzug bleiben sollen. Sie hatten sich nie damit abgefunden, dass ich wieder aus ihm herausgekommen war.
    »Haben Sie Erinnerungen an Ihren Unfall? Wiederkehrende Bilder?«
    »Dazu möchte ich mich nicht äußern.«
    »Haben Sie in der Société des Alcools du Québec eine Angstattacke gehabt und sind Sie überstürzt aus dem Gebäude geflüchtet?«
    »Ja.«
    »Hatten Sie vor einigen Tagen im Kino einen ähnlichen Anfall? Und sind Sie erneut fluchtartig hinausgerannt?«
    »Ja.«
    »Haben Sie sich bei Ihrem letzten Arbeitgeber, ich glaube DogDogWalk, mit einem Kunden geprügelt?«
    »Ja.«
    »Aus welchem Grund?«
    »Nichts Besonderes. Es ging um einen Hund.«
    »Erinnern Sie sich daran, vor einer Woche einen Ihrer Söhne geschlagen zu haben?«
    »Sehr genau.«
    »Haben Sie sich kürzlich mit anderen Personen geprügelt?«
    »Nein.«
    »Leiden Sie unter Hautproblemen, die mit Stress zusammenhängen?«
    »Ich habe Hautprobleme, aber wegen einer Hundeallergie.«
    »Was war Ihre letzte Anstellung?«
    »Ich habe Hunde ausgeführt.«
    »Darf ich Sie nach Ihrem Alter fragen?«
    »Sechzig Jahre.«
    »Wenn Sie unter einer solchen Allergie leiden, warum habenSie dann in Ihrem Alter eine so ungewöhnliche Arbeit angenommen?«
    »Die Allergie hat sich erst danach manifestiert.«
    »Und warum diese Arbeit?«
    »Ich weiß es nicht. Ich mag Hunde.«
    »Sammeln Sie, wie hier steht, Artikel über Aufzüge, in denen Sie jeden Abend bis spät in die Nacht blättern?«
    »Darauf möchte ich nicht antworten.«
    »Warum nicht?«
    »Sie sind nicht qualifiziert, um diese Arbeit über Aufzüge zu beurteilen.«
    »Leben Sie permanent mit der Asche Ihrer Tochter?«
    »Wie ich sehe, haben sie nichts ausgelassen.«
    »Die Antwort lautet?«
    »Ja. Ich bewahre die Urne meine Tochter Marie in meinem Arbeitszimmer auf.«
    »Haben Sie gesagt, mit den am Unfall beteiligten Unternehmen Woodcock und Libralift eine Einigung erzielen zu wollen, und zwar gegen den Rat sämtlicher Spezialisten?«
    »Ja. Aber auf welche Spezialisten beziehen Sie sich in Ihrer Frage?«
    »Auf Ihre Söhne, die, soweit ich weiß, Anwälte sind.«
    »Sie sind vor allem Zwillinge.«
    »Haben Sie kürzlich ein Flugticket gekauft, um nach Dubai zu fliegen?«
    »Ja.«
    »Zu welchem Zweck?«
    »Um mit dem Aufzug den Burj Khalifa hinaufzufahren, einen Wolkenkratzer von achthundertachtundzwanzig Metern Höhe.«
    »Aus welchem Grund?«
    »Wie schon zuvor gesagt, denke ich nicht, dass Sie qualifiziert sind, dies zu beurteilen.«
    Laville nickte, während er sich mit geheuchelter Geschäftigkeit Notizen machte,

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