Der Fall von Thormain
wollte, nahmen die Piraten keine Rücksicht mehr auf seinen Stand.
Während sich Kend durch einen Sprung in Sicherheit brachte, stürzten sich die umstehenden Männer auf Coerl O'Marn und begruben ihn unter sich. Nyala von Elvinon stand reglos daneben und beobachtete das Geschehen mit ausdruckslosem Gesicht.
»Wenn der Ritter entwaffnet ist, lasst von ihm ab!« rief Argur von Solth.
Welleynn war der Menschentraube über O'Marn ausgewichen und kam nun zu Argurs Thron hinauf. Die beiden unterhielten sich kurz miteinander. Obwohl Mythor nichts davon verstehen konnte, zeigte ihm ein Blick zu Kalathee, die offenbar mithörte, dass bei dem Gespräch nichts Gutes herauskam.
Das Menschenknäuel über O'Marn löste sich auf. Dem Ritter waren die Waffen abgenommen worden. Zwei Piraten bogen ihm die Arme auf den Rücken und hielten ihn fest. Zwei andere bedrohten ihn mit kurzen Spießen.
»Das werdet ihr noch büßen!« drohte O'Marn wütend.
»Du wirst keine Gelegenheit bekommen, deine Rachegelüste zu stillen«, sagte Argur. »Dein Verhalten hat gezeigt, dass du nicht würdig bist, wie ein Ritter behandelt zu werden. Aber du wirst im Kerker Gelegenheit bekommen, uns die Wahrheit zu erzählen. Scharfrichter Welleynns Folterknechte verstehen sich darauf, selbst Steine zum Reden zu bringen. Und wir werden auch von den angeblichen Spielleuten erfahren, ob sie deine Spitzel sind oder nicht. Darauf kannst du dich verlassen.«
Kalathee stieß einen erschrockenen Laut aus, doch der Piratenherrscher strich ihr beruhigend übers Haar. »Keine Angst, schönes Kind, du darfst dich auch weiterhin meiner Gastfreundschaft erfreuen«, sagte Argur von Solth heuchlerisch. »Und dein Milchbruder Mythor braucht ebenfalls nicht zu fürchten, in den Kerker geworfen zu werden.«
»Wie kann ich dir das nur danken, Herr«, sagte Kalathee scheinbar unterwürfig, aber mit einem bangen Unterton. Offenbar kannte sie den Herrscher von Thormain gut genug, um hinter seinen Worten eine Arglist zu vermuten. Sie fügte hinzu: »Wenn ich meinem Milchbruder nicht den magischen Schwur geleistet hätte, würde ich wissen, wie ich mich erkenntlich zeigen könnte.«
»Daran musste ich eben denken«, sagte Argur. »Ich habe nicht nur von dir gehört, dass dein Milchbruder verzweifelt bemüht ist, den thormainischen Brunnen aufzusuchen - auch meine Leute haben es mir zugetragen. Sein Wunsch soll in Erfüllung gehen.« Er hob den Kopf und befahl mit erhobener Stimme: »Werft ihn in den Brunnen!«
Kalathee schrie auf. Mythor wurde gepackt, bevor er Gelegenheit hatte, sich mit Sadagar oder Coerl O'Marn durch irgendein Zeichen zu verständigen. Er wehrte sich mit aller Kraft gegen die Gefangennahme, aber die Übermacht war zu groß. Zwei Piraten hielten ihm vorne die Hände zusammen, ein dritter fesselte sie mit einem starken Strick.
»Wenn du nicht stillhältst, binden wir dir auch die Beine zusammen und werfen dich so in den Brunnen«, wurde ihm angedroht. Mythor sah ein, dass ihm Widerstand nichts einbrachte, und wehrte sich nicht mehr.
»Ich verstehe nicht, warum du dich so gebärdest«, sagte einer seiner drei Bewacher, die ihn aus dem Thronsaal brachten. »Wir tun dir doch nur einen Gefallen, wenn wir dich zum Brunnen bringen. Ist es nicht so?«
Mythor schwieg. Im Grunde hatte der Pirat recht. Der Unterschied war nur der, dass er nicht als freier Mann zum thormainischen Brunnen gelangen würde.
Während ihn seine Häscher über Treppen nach unten in den engen Innenhof brachten und von dort durch ein Tor aus dem schlossähnlichen Gebäude, das sie Nest nannten, versuchten sie ihn zu ängstigen, indem sie ihm erzählten, welches Schicksal er zu erwarten habe. Das reichte von fleischfressenden Fischen, die den Brunnen bewohnten, bis zu Wassergeistern, die ihre Opfer in die Tiefe hinabzogen und ihnen dann qualvoll langsam das Leben aussaugten.
Das alles konnte Mythor jedoch nicht beeindrucken. Er wusste, dass der Brunnen ein anderes Geheimnis bergen musste, von dessen Entschlüsselung für ihn viel abhängen konnte. Der Helm der Gerechten hatte es ihm verraten.
Mythor wurde auf demselben Weg in den verlassenen Stadtteil gebracht, auf dem er zusammen mit Yargh Mainer von dort ins Nest gebracht worden war. Seine Häscher verkündeten lauthals, was mit ihrem Gefangenen geschehen würde, so dass ihnen bald eine größere Menschenmenge folgte. Allerdings blieben die Neugierigen an der Grenze zum unbewohnten Stadtteil zurück. Mythors Bewacher wurden auf
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