Der Fall von Thormain
einmal sehr schweigsam, und ihr Schritt war auch nicht mehr so forsch.
»Ihr könnt hier zurückbleiben, und ich verspreche euch, dass ich den thormainischen Brunnen freiwillig aufsuchen werde«, schlug Mythor ihnen vor.
»Das könnte dir so passen«, sagte einer und hieb ihm die Faust in die Seite. »Wir führen unseren Auftrag aus.«
Mythor wurde auf den freien Platz geführt, in dessen Mitte der Brunnen stand. Die Einfassung des Brunnens war kreisrund und erhob sich eineinhalb Schritt über dem Boden. Darüber stand ein hölzernes Gestell, das giebelförmig überdacht war. Das Holz wirkte uralt und wie versteinert. Es gab auch eine Winde, doch hatte diese kein Seil.
Die Häscher führten ihn bis zur Mauereinfassung und waren darauf bedacht, hinter ihm zu bleiben, als fürchteten sie sich davor, einen Blick in die Tiefe zu werfen.
»Deine Hände«, sagte einer der Männer.
Mythor streckte sie ihm hin, und der Pirat durchschnitt die Fesseln mit seinem Dolch. Im selben Moment wurde Mythor von den beiden anderen gepackt und über den Rand gestoßen.
Er glaubte von oben Gelächter und schnell enteilende Schritte zu hören, während er in die Tiefe stürzte. Er dachte noch voll Schreck daran, dass der Brunnen vielleicht leer sei und er an seinem trockenen Grund zerschellen würde. Aber da erfolgte der Aufschlag im Wasser, und das eiskalte Nass schlug über ihm zusammen. Ich bin am Ziel meiner Wünsche, dachte er.
Er tauchte auf und durchschwamm den Brunnen mit fünf Stößen. Demnach maß er etwa drei Mannslängen im Durchmesser. Als er hochblickte, sah er weit über sich den helleren Kreis des Brunnenrandes, gut vier Mannslängen höher.
Das Wasser war kalt; Mythor begann zu frösteln. Er schwamm entlang der gebogenen Schachtwand und suchte nach einem Halt. Aber die Mauer war fast fugenlos, es gab keine genügend großen Vorsprünge oder Vertiefungen, an denen er sich festhalten konnte. Irgendein glitschiges Zeug, das sich an der Brunnenwand festgesetzt hatte, machte diese aalglatt.
Er versuchte einige Male vergeblich, sich hochzuziehen. Einmal konnte er seinen Körper halb aus dem Wasser ziehen, rutschte aber sofort wieder ab und tauchte unter. Prustend brachte er sich wieder über Wasser. Er wusste bald nicht mehr, wie oft er entlang der runden Schachtmauer geschwommen war und wie viele Versuche er unternommen hatte, die senkrechte Mauer hinaufzuklettern.
Seine Fingerspitzen, mit denen er halbwegs Halt in den Mauerritzen gefunden hatte, waren bald gefühllos. Er trat Wasser und spürte, wie ihm die Kälte in den Unterleib kroch. Irgendwann würden seine Arme und Beine so klamm sein, dass er sie nicht mehr bewegen konnte. Dann würde er unweigerlich ertrinken.
Bevor es jedoch soweit war, wollte er versuchen, zum Grund des Brunnens zu tauchen. Er holte tief Atem, schnellte sich herum und stieß mit dem Kopf voran in die Tiefe.
Um ihn war Dunkelheit, kein Lichtschein erhellte das finstere Wasser. Mythor tauchte, so tief er konnte, bis ihm die Luft ausging und er meinte, es würde ihm den Brustkorb sprengen.
Aber er fand keinen Grund, nicht einmal eine Öffnung oder Vertiefung in der Brunnenwand. Er unternahm einige Tauchversuche, alle mit dem gleichen Erfolg. Bald war er zu schwach, um sich genügend lange unter Wasser zu halten, und er gab es auf.
Es galt nur noch, sich so lange wie möglich über Wasser zu halten und auf ein Wunder zu hoffen, das ihm die Rettung brachte. Er dachte an seine Freunde und an den Ritter Coerl O'Marn. Vielleicht gelang diesem die Flucht aus der Gefangenschaft, so dass er zum thormainischen Brunnen kommen konnte, um ihn herauszuholen. Aber das war zu unwahrscheinlich.
Warum war O'Marn nach Thormain gekommen, anstatt sich zu seinen Leuten durchzuschlagen? Der Ritter hätte wissen müssen, dass er mit seiner Handvoll verwundeter und geschlagener Krieger nichts gegen die Übermacht der Piraten ausrichten konnte. Wenn er beabsichtigte, zu den Piraten überzulaufen, dann hätte er dies gegenüber Argur von Solth gestanden. Aber da er es nicht getan hatte, musste es einen anderen Grund geben.
Nyala!
O'Marn hatte seine Zuneigung für die Herzogstochter von Elvinon nie verhehlt.
Steinmann Sadagar hatte sogar angenommen, dass sich O'Marn Nyalas wegen gegen den Caer-Priester Drundyr gewandt habe, dem er zu Gehorsam verpflichtet gewesen wäre. Wenn der Ritter das für Nyala getan hatte, musste er sich klar darüber sein, dass er dafür von der caerischen Priesterschaft Bestrafung zu
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