Der Fall von Thormain
hatte.
»Das soll Wamdon dir erklären«, entgegnete das Mädchen. »Aber beantworte zuerst meine Frage.«
»So einfach kann ich das nicht beantworten«, sagte Mythor vorsichtig. Er überlegte fieberhaft, wie er sich in dieser Situation verhalten sollte, entschloss sich dann aber für die Wahrheit. Er fuhr fort: »Es gibt einige, die mich für den Sohn des Kometen halten, aber ich selbst bin mir im unklaren. Ich habe bereits drei Stützpunkte des Lichtboten aufgesucht, aber auch dort keine eindeutige Bestätigung erhalten. Nun befinde ich mich auf der Suche nach den weiteren Fixpunkten und bekam dabei einen Hinweis auf den thormainischen Brunnen.« Er zögerte kurz und fragte dann: »Kannst du mir sagen, ob ich hier richtig bin, Royna?«
»Das ist Wamdons Sache«, sagte das Mädchen. »Er ist verständigt und wird bald eintreffen. Inzwischen können wir uns über andere Dinge unterhalten. Willst du nicht wissen, wie ich zu den Aurogaern gestoßen bin?«
»Doch«, sagte Mythor.
Das Mädchen setzte sich neben ihn ans Lagerfeuer und ergriff seine Hände, während es ihm in die Augen blickte. Mythor wurde heiß, und er rückte etwas vom Feuer ab. Royna missverstand diese Bewegung, ließ sofort seine Hände los und sagte: »Du brauchst nicht zu befürchten, dass ich dich anstecke. Du siehst doch, dass ich keinen Makel an mir habe. Auch die Aurogaer, wiewohl sie Aussätzige sind, können dir nichts anhaben. Ihre Krankheit ist nicht übertragbar, ich muss das wissen. Sie haben dieses Gerücht nur in Umlauf gebracht, um von den Piraten gemieden zu werden.«
»Du hast mich missverstanden«, versuchte sich Mythor zu rechtfertigen.
Aber das Mädchen winkte ab. »Ich will auch sonst nichts von dir«, sagte sie. »Dafür achte ich dich zu sehr. Ich glaube auch, dass du der Sohn des Kometen bist und viel zu schade für mich, die Tochter einer Piratenkurtisane. Als ich in das Alter kam, wollte mich meine Mutter an Argur von Solth verschachern. Aber ich floh aus dem Nest in die Unterwelt und stieß zu den Aurogaern. Hier blieb ich und vermummte mich, um als eine der Aussätzigen zu gelten. Ich habe Gefallen an diesem Leben gefunden. Freilich, manchmal sehne ich mich nach Licht und Sonne. Aber ich bekam schnell genug von dem freien Leben auf der Oberwelt, wenn ich die Grausamkeiten und Gemeinheiten der oben lebenden Menschen mit ansehen musste . «
»Nicht alle sind so verwerflich wie die Piraten«, warf Mythor ein.
»Die Aurogaer sind besser.« Royna lächelte verbittert. »Aber das ist meine Sache, damit will ich dich nicht belasten. Wie lautet eigentlich dein Name? Der Name des Kometensohnes wird in den alten Schriften nirgends genannt.«
»Mythor«, sagte er. »Meine Zieheltern haben mich so genannt, als sie mich beim Schrei des Bitterwolfs fanden, weil meine Herkunft im Dunkeln liegt.«
Mythor erzählte in knappen Worten seine Geschichte, sein Leben bei den Marn, die mit ihrer Nomadenstadt durch Salamos und Tainnia nach Norden zogen, wo sich die Yarls nach einem rasenden Lauf mit ganz Churkuuhl über die Klippen von Elvinon ins Meer der Spinnen gestürzt hatten. Er vergaß nicht zu erwähnen, dass die Yarls von Churkuuhl zweifellos von den dunklen Mächten der Schattenzone besessen gewesen waren.
Mythor bemerkte, dass ein weiterer Vermummter in den Kreis kam, schenkte ihm aber weiter keine Beachtung. Jetzt sagte der neu Hinzugekommene: »Auch wir Aurogaer sind mit einer Nomadenstadt in den Norden gekommen. Unsere Yarls wählten jedoch den Weg durch die Wildländer, so dass ihre Zahl von den Barbaren stark verringert wurde. Wir erreichten schließlich nur mit drei Yarls die Küste von Eislanden. Dort griffen uns Piraten an. Sie plünderten unsere wandernde Stadt, töteten die Yarls und nahmen uns gefangen. Man brachte hundert von uns als Sklaven nach Thormain. Hier wurden wir Opfer einer geheimnisvollen Krankheit, die einige von uns dahinraffte. Die Überlebenden flohen in die Stadt unter der Stadt. Die meisten der Aurogaer, die du hier siehst, sind Nachkommen dieser Überlebenden, sie haben die körperlichen Makel von ihren Vätern und Müttern geerbt. Ich war beim Untergang von Auroga dabei. Ich war einer der Yarl-Führer. Ich bin Wamdon.«
Mythor sprang auf und eilte auf den Vermummten zu. Dieser gebot ihm jedoch mit abwehrend vorgestreckten Armen Einhalt.
»Handle nicht voreilig!« sagte Wamdon. »Bei der ersten Begegnung mit meinen Leuten vor wenigen Tagen hast du gesagt, dass dir ihre Hässlichkeit nichts
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