Der Fall von Thormain
eine Waffe zu gebrauchen, die Bewegungen der ringgeschmückten Finger waren geziert. Mythor war ein zu guter Beobachter, um nicht zu erkennen, dass er einen Mann vor sich hatte, der vor längerer Zeit die raue Seeluft und die Schiffsplanken gegen ruhigere Palastluft und höfisches Parkett vertauscht hatte. Aber so verweichlicht, wie sein übertriebenes Gehabe glauben machen sollte, war er gewiss nicht.
Kalathee saß neben seinem Thron auf dem Bärenfell, und als sie Mythors ansichtig wurde, zuckte sie zusammen. Sie erhob sich halb, wie ihm entgegenzueilen. Aber da trat ihr eine schwarzgekleidete Gestalt gebietend entgegen, und Kalathee sank wieder zurück.
»Sei tapfer, meine Milchschwester«, sagte Mythor, um ihr zu zeigen, dass er wusste, als was sie sich ausgegeben hatte. »Keine Gewalt dieser Welt ist in der Lage, die Bande zu durchtrennen, die uns zusammenhalten.«
»Eine Klinge schafft das noch allemal«, sagte eine bekannte Stimme aus den Reihen der Piraten, die den Thronplatz umstanden. Mythor wusste, dass es Kend war, noch bevor er ihn sah.
»Es fragt sich, ob du jemals wieder eine Waffe tragen wirst«, herrschte ihn Welleynn an. »Du scheinst nicht ermessen zu können, wann du davon Gebrauch machen darfst.«
Kend wandte sich verächtlich von dem Scharfrichter ab und sagte zu Argur von Solth:
»Der Scharfrichter kommt mir wie ein ängstliches Weib vor. Er verurteilt mich und meine Leute, weil wir eine Kriegerhorde im Kampf geschlagen haben. So kann nur ein Feigling denken.«
»Diese Krieger waren Caer, und die Caer sind unsere Freunde«, sagte Argur von Solth mit einem Seitenblick zu Mythor, den dieser nicht verstand.
»Ach, lass doch diese Heuchelei, Argur!« sagte Kend wütend. »Du weißt so gut wie ich, dass wir von den Caer nichts Gutes zu erwarten haben. Das sind mir schöne Freunde, die versuchen, uns in Thormain auszuhungern. Gib der Wahrheit die Ehre, und gestehe deinen Hass gegen sie ein. Du brauchst vor den caerischen Spionen nicht zu heucheln, denn sie werden Thormain nicht lebend verlassen.«
»Halte deine Zunge im Zaum, Kend!« rief Argur von Solth wütend. »Noch habe ich das Wort, und ich sehe die Caer als unsere Verbündeten an.«
Mythor spürte wieder den heuchlerischen Blick des Herrschers von Thormain auf sich und begann zu begreifen. Offenbar glaubte man, dass er von den Caer entsandt worden sei. Das gefiel ihm gar nicht, denn es trug keineswegs zur Verbesserung seiner Lage bei.
In der Menge entstand eine Bewegung. Jemand sagte: »Da sind die beiden anderen.« Gleichzeitig wurde Sadagar in den freien Raum vor dem Thron gestoßen, und eine reglose Gestalt wurde zu Boden geworfen. Es war Nottr, und er lag wie tot da.
»Der Barbar wurde von Dhalin mit einem Schlaftrunk außer Gefecht gesetzt«, erklärte der Pirat, der Nottr abgeladen hatte. »Das war sein Glück, denn der Knochenbrecher schickte sich gerade an, ihn auseinanderzunehmen.«
Mythor atmete auf. Die Erleichterung darüber, dass Nottr noch am Leben war, überwog seinen Zorn über die Hinterlist des buckligen Wirtes.
Argur von Solth schnitt bei Nottrs Anblick eine Grimasse und wandte sich dann wieder Kend zu. »Wie kannst du dein Verhalten rechtfertigen?« fragte er ihn. »Wie ist es überhaupt zu der Auseinandersetzung mit den Caer gekommen?«
»Ganz einfach«, sagte Kend. »Meine Leute und ich waren auf einem Streifzug außerhalb der Stadt, da kamen uns etwa ein Dutzend Reiter entgegen. Als wir erkannten, dass es sich um Caer handelte, forderten wir sie in Güte zum Halten auf. Aber sie eröffneten grundlos die Feindseligkeiten und griffen uns an. Wir wehrten uns natürlich und besiegten sie. Die letzten beiden Überlebenden haben wir gefangengenommen. Es dürfte Welleynns Folterknechten nicht schwerfallen, sie zum Reden zu bringen und von ihnen zu erfahren, welchen Auftrag sie hatten.«
»Ich habe etwas anderes gehört«, sagte Welleynn. »Demnach waren die meisten Caer verwundet und so abgekämpft, dass sie sich kaum im Sattel halten konnten. Nur deshalb getrautet ihr euch, über sie herzufallen und sie niederzumetzeln.«
»Von Waschweibern und Feiglingen lasse ich mich nicht beleidigen«, sagte Kend, ohne den Scharfrichter anzublicken. »Nicht über meine Handlungsweise soll gerichtet werden, sondern über diese Caer-Spione. Und dazu gehört dieses Dämchen, das dir schöne Augen macht, Argur. Merkst du denn nicht, dass sie dir den Kopf verdreht, damit du nicht durchschaust, was wirklich gespielt
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