Der Fall
das Handwerk zu legen, und sie sind nicht bereit, das zu tun, was tatsächlich nötig wäre, um wirksam gegen das Verbrechen vorzugehen. Das macht sie noch nicht zu schlechten Menschen; es macht sie nur zu schlechten Staatsdienern.«
»Und aus irgendeinem Grund glauben Sie, ich gehöre zu den zwanzig Prozent?«
»Auf jeden Fall. Sie sind zweiunddreißig Jahre alt, und das heißt, Sie wissen, worauf Sie sich einlassen. Und in diesem Alter ist das, ob es Ihnen gefällt oder nicht, Ihr Beruf. Sie mögen vielleicht noch etwas ungeschliffen sein und Sie mögen noch neu sein, aber Sie sagen, was Sie denken, und Guff vertraut Ihnen, was, ob Sie’s glauben oder nicht, mehr über Sie aussagt, als Sie denken. Wenn Sie Ihren Schuldspruch bekommen und den Fall zur Verhandlung bringen, wird Monaghan wissen, dass Sie nicht hier sind, um sich auf die faule Haut zu legen. Und da ich immer nach Leuten Ausschau halte, die auf der Zwanzig-Prozent-Seite der Skala stehen, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, Sie hier zu behalten. Darum erzählen Sie mir, was sonst noch mit dem Cop war, und ich sage Ihnen, wie es wieder in Ordnung gebracht werden kann.«
»Also, wie gesagt, er hat sich nicht um eine Identifizierung gekümmert.«
»Das ist noch kein Beinbruch. Ordnen Sie eine Gegenüberstellung an, damit die Nachbarin herkommen und mit dem Finger auf Kozlow zeigen kann. Wenn die Zeit dafür nicht mehr reicht, lassen Sie sie es vor der Grand Jury tun. Dann können es die Geschworenen selbst sehen.«
»Und die Fingerabdrücke?«
»Damit werden Sie sich wohl oder übel abfinden müssen.«
»Blöder Achtzig-Prozenter«, grummelte Sara.
Moore grinste. »Sonst noch Probleme?«
Sara senkte den Blick zu Boden. »Nur eins«, rückte sie zaghaft mit der Sprache heraus. »Da ist ein Punkt, in dem ich nicht ganz offen gewesen bin. Als der Fall ursprünglich ins ECAB kam, war er mit einer Haftnotiz versehen, auf der stand: ›Mit der Bitte um Weiterleitung an Victor Stockwell.‹«
Zwischen Moores Augenbrauen bildete sich eine argwöhnische Falte. »Was ist mit dem Zettel passiert?«
»Der Bote hat ihn einfach abgemacht, und ich hab nicht verhindert, dass er ihn wegwarf.« Bevor Moore etwas sagen konnte, fuhr Sara fort: »Ich weiß, das war nicht richtig, aber ich dachte, Victor Stockwell bekäme so viele Fälle, dass ihm einer weniger nichts ausmachen würde. Doch bei dem Gespräch mit McCabe stellte sich heraus, dass er gar nicht wollte, dass Stockwell den Fall übernimmt – Stockwell hatte den Fall von ihm angefordert.« Als sie mit ihrer Geschichte fertig war, wurde es still im Raum. Sie wagte nicht, Moore in die Augen zu sehen.
Schließlich beugte sich Moore vor. »Sie machen es sich wirklich gern schwer, wie?«
»Darin bin ich eine wahre Meisterin.« Als sie aufblickte, stellte sie fest, dass die Falte zwischen Moores Augenbrauen verschwunden war. »Sind Sie nicht böse?«, fragte sie.
»Sara, hätten Sie sich den Fall auch geschnappt, wenn Sie gewusst hätten, dass Stockwell ihn wollte?«
»Natürlich nicht. Ich wollte nur –«
»Na, sehen Sie! Ich würde Ihnen nie einen Vorwurf daraus machen, dass Sie versucht haben, sich an die Spitze der Meute zu drängen. Wenn wir überhaupt etwas brauchen, dann mehr Leute von Ihrem Schlag.«
Moores Reaktion war völlig anders, als sie erwartet hatte. Sie bedachte ihn mit einem anerkennenden Nicken.
»Machen Sie sich deshalb mal keine Sorgen«, führ er fort. »Ich bin auf Ihrer Seite.«
So, wie er das sagte, wusste Sara, dass er nicht log. »Und was soll ich jetzt wegen Stockwell tun?«
»Hat er wegen des Falls irgendwas zu Ihnen gesagt?«
»Ich weiß, er ist stinksauer, aber er hat ihn nicht zurückverlangt.«
»Wo ist dann das Problem?«
»Finden Sie das nicht etwas eigenartig? Ich meine, warum wollte Stockwell diesen belanglosen Fall überhaupt?«
»Woher soll ich das wissen? Es kommt ständig vor, dass jemand einen Fall anfordert – meistens wollen sie einem Wiederholungstäter noch mal ans Leder, oder sie kennen jemanden, der in irgendeiner Weise in den Fall verwickelt ist. Vielleicht ist Stockwell derjenige, der Kozlow ursprünglich belangt hat, und er ist immer noch sauer, dass ihm Kozlow durch die Lappen gegangen ist. Vielleicht ist er mit dieser Ms. Doniger befreundet und wollte ihr einen Gefallen tun.«
»Oder es geht hier um mehr als nur einen Einbruch.«
Moore schüttelte den Kopf. »Sie haben sich das mit den Schlagzeilen immer noch nicht aus dem Kopf
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