Der Fall
überkam ihn plötzlich ein heftiges Schwindelgefühl. »Könnten Sie bitte einen Moment warten?«, fragte er Rafferty. Und bevor Rafferty antworten konnte, legte Jared den Hörer beiseite und ging zu Kathleens Schreibtisch hinaus. »Wann waren Sie heute Morgen mit dem Einkaufen fertig?«
»Gegen Viertel vor zwölf. Warum?«
»Und was haben Sie dann getan?«
»Er sagte, er hätte noch Verschiedenes zu erledigen«, antwortete Kathleen zögernd. »Deshalb ging ich allein ein paar Krawatten für ihn aussuchen. Etwa eine Stunde später trafen wir uns dann wieder. Warum? Ist irgendwas?«
»Er war also mindestens eine Stunde allein?«, fragte Jared.
»Er verspätete sich etwas. Es waren also fast eine Stunde und fünfzehn Min–«
»O Gott.« Jared stürzte in sein Büro zurück und griff nach dem Hörer. »Sie hätten ihnen nicht drohen sollen«, sagte er zu Rafferty.
»Ihnen drohen? Wovon reden Sie überhaupt? Das wäre gegen das Gesetz.«
»Das ist nicht witzig.«
»Sie sollten sich lieber über diese gute Nachricht freuen! Das sollte die Sache doch wesentlich einfacher für Sie machen.«
Als Rafferty auflegte, klopfte es an Jareds Tür. »Herein«, sagte Jared.
Kathleen steckte den Kopf zur Tür herein. »Es tut mir wirklich leid. Ich –«
»Keine Sorge – das konnten Sie ja nicht wissen.« Als sein Blick auf den rosa Nachrichtenzettel in ihrer Hand fiel, fügte er hinzu: »Hat jemand angerufen?«
»Lubetsky möchte wissen, ob Sie mit den AmeriTex-Anträgen schon fertig sind.«
»Meine Güte, nein.« Jared begann in den Unterlagen zu wühlen, die seinen Schreibtisch übersäten. »Sagen Sie ihm, er kriegt Sie gleich morgen früh.«
»Ich soll Sie daran erinnern, dass sie bis heute fünf Uhr eingereicht werden müssen.«
Erschrocken sah Jared zu Kathleen auf. »Sie machen doch Witze?«
»Ganz und gar nicht.«
»Na schön.« Jared warf einen Blick auf seine Uhr. »Damit bleiben mir noch dreieinhalb Stunden.« Er schaltete seinen Computer an und öffnete die AmeriTex-Datei. »Ich brauche zwei Anwaltsgehilfen für Recherchen und einen Kollegen im dritten oder vierten Jahr für die Verfahrensfragen. Sie sollen sich in einer halben Stunde im Besprechungszimmer mit mir treffen.«
»Irgendeinen bestimmten Kollegen?«, fragte Kathleen.
»Irgendwen, Hauptsache er ist gut«, sagte Jared, als Kathleen die Tür hinter sich schloss.
»Nicht übel«, sagte Kozlow. »Aber woher wollen Sie wissen, dass alle anderen einfach stehen und liegen lassen, woran Sie gerade arbeiten?«
»Das ist eine große Kanzlei«, erwiderte Jared. »Mit hundertachtundsechzig Teilhabern, dreihundertsechsundvierzig angestellten Anwälten und hundert und noch was Anwaltsgehilfen. Da findet sich immer jemand. Dafür zahlen Sie auch so viel Geld.«
»Ist das der Grund, warum Sie es tun? Das Geld?«
»Zumindest zum Teil.«
»Und was ist der andere Teil?«
Überrascht über das Interesse in Kozlows Stimme, zögerte Jared einen Moment mit seiner Antwort. Das war seine Chance, zu ihm durchzudringen, dachte er. Nachdem es heute Vormittag mit Wut nicht funktioniert hatte, würde es vielleicht jetzt mit Aufrichtigkeit klappen. »Möchten Sie den wahren Grund wissen, warum ich als Verteidiger arbeite? Weil ich finde, es ist genug Gerechtigkeit für alle da. Ich tue nichts anderes, als auch denen etwas davon zukommen lassen, die manchmal etwas zu kurz kommen.«
»Sie hören sich an wie ein Pfadfinder.«
»Das sagt meine Frau auch immer.« In der Hoffnung, nicht vom Thema abzukommen, fügte Jared hinzu: »Weil wir gerade davon reden, warum erzählen Sie mir nicht, was mit Ms. Doniger und Ms. Harrison war?«
Kozlow wurde still und machte die Zeitschrift zu. Vor Wut wurden seine Augen ganz schmal. »Tun Sie das nie wieder.«
»Was?«, fragte Jared verdutzt.
»Stellen Sie sich doch nicht blöd, Lynch – ich werde nicht Ihr kleiner Freund.«
»Ich dachte doch nur, wir –«
»Halten Sie bloß das Maul!«, brüllte Kozlow los. »Halten Sie Ihr blödes Maul, und machen Sie Ihren Job!«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst«, sagte Conrad Moore und beugte sich über Saras Schreibtisch.
»Leider doch«, antwortete Sara. »Ich hatte nach dem Gespräch mit Ms. Harrison kaum aufgelegt, als er hier hereingeschneit kam. Die Akten lagen überall rum.«
»Ich wusste, ich hätte Sie davon abbringen sollen. Es besteht kein Grund, über jemanden wie Victor Nachforschungen anzustellen.«
»Ich will Stockwell nicht am Zeug flicken – ich versuche nur
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