Der falsche Apostel
anzunehmen. Auch die Kurzgeschichte
Gift im Abendmahlskelch
spielt in Rom und in der gleichen Zeit, doch ist Eadulf hier keine Rolle zugedacht. Fidelma und Eadulf trennen sich in Rom;
sie kehrt nach Hause zurück, während Eadulf die Aufgabe zufällt, den neuen Erzbischof von Canterbury, Theodor von Tarsus,
zu unterweisen, ehe er ihn nach England zur Aufnahme seiner Pflichten begleitet. Fidelmas Heimreise führt über die Abtei von
Nivelles, einer irischen Gründung im Seneffe-Wald im heutigen Belgien, wo
Heiliges Blut
angesiedelt ist.
Das Jahr 665 sieht Fidelma wieder in Irland. Sie geht nach Tara, dem Handlungsort von
Angstschrei aus der Gruft
, und weiter nach Kildare, wo sie in
Schmählicher Tod eines Pferdes
mysteriöse Vorfälle um ein Pferderennen aufdeckt. Sehr glücklich fühlt sie sich in Kildare nicht, und als ihr Bruder Colgú
sie bittet, nach Cashel zurückzukehren, wo man dringend ihrer Hilfe bedürfe, tut sie das mit Freuden.
Wir sind noch immer im Jahr 665, und Cathal Cú Cen Máthair, der König von Cashel und Fidelmas Vetter, liegt im Sterben. Fidelma
entspricht seiner letzten Bitte und lässt sich in
Tod im Skriptorium
in ein grauenhaftes Abenteuer in einem entlegenen irischen Kloster ein. Am Ende der Geschichte ist König Cathal tot, und neuer
König von Munster wird der rechtmäßige Thronnachfolger, Fidelmas Bruder Colgú. Chroniken zufolge regierte Colgú von 665 bis
678 und war ein viel gerühmter König von Munster.
Im dann folgenden Buch
Die Tote im Klosterbrunnen
(1996) kommt es unter außergewöhnlichen Umständen zu einer Wiederbegegnung von Fidelma und Eadulf – im tiefen Winter in einem
abgelegenen Kloster im südwestlichen Irland. Die nicht alltäglichen Ereignisse erreichen ihren Höhepunkt im Januar des Jahres
666. Von da an bleiben Fidelma und Eadulf |15| zusammen, und ihr Zuhause wird Cashel, der Königssitz von Munster. In
Der Tote am Steinkreuz
(1997),
Tod im Tal der Heiden
(1998) und
Tod in der Königsburg
(1999) agieren sie mit vereinten Kräften. Nur ab und an bleibt Fidelma ohne Eadulfs Beistand, so in den Kurzgeschichten
Gift im Versöhnungstrunk
und
Die sich an uns versündigen
.
Der Zeitabschnitt, in dem wir uns bewegen, wird fälschlicherweise »das finstere Mittelalter« genannt. Für Irland war es das
»Zeitalter der goldenen Aufklärung«, als Recht und Ordnung, Gelehrsamkeit und Schrifttum in einer der bemerkenswertesten Zivilisationen
Europas ihre Blütezeit hatten. Es war eine Zeit, da Missionare aus Irland, allein oder auch in Scharen, loszogen und ihr Wissen
in alle Himmelsrichtungen trugen, bis nach Kiew in der Ukraine, nach Island und den Färöern, nach Spanien und über die Alpen
nach Italien, selbst bis nach Taranto, wo ein irischer Mönch namens Cathal der heilige Cataldus wurde und damit der Schutzheilige
der Stadt. Es war eine Zeit großartiger künstlerischer Leistungen, der Schaffung reich verzierter Evangeliare, erstaunlich
schöner Gold- und Silberarbeiten, wunderbarer Reliquiare, eine Zeit der Buchschreine, Kelche und Kreuze; eine Blütezeit der
Literatur, nicht zu vergessen die Leistungen eines Rechtswesens und einer sozialen Ordnung, die in vieler Hinsicht bezüglich
ihrer Philosphie und Herangehensweise unseren heutigen Auffassungen nicht nachstehen.
Aber – und es wird bei allem Positiven immer ein Aber geben – was die rein menschlichen Dinge angeht, so war es ein Zeitalter
mit allen Tugenden und Lastern, die Menschen nun einmal eigen sind, mit Tugenden und Lastern, wie wir sie auch heute sehen
und verstehen. Die Tatmotive für Verbrechen sind über die Jahrhunderte die gleichen geblieben. Im Irland des siebenten Jahrhunderts
brauchte es einen geschärften Blick und |16| einen analytischen Verstand genauso gut wie eine rein menschliche Sicht auf die Dinge und entsprechende Auslegung des Gesetzes;
Fidelma formulierte es einmal so: »Es gibt Fälle, da bei aller Liebe zum Gesetz der Gerechtigkeit der Vorrang gebührt.« Begleiten
wir also unsere gute Schwester in eine Welt, deren Verhältnisse uns fremd erscheinen mögen, in der wir aber Angst, Missgunst,
Liebe und Hass erkennen – menschliche Schwächen und Leidenschaften, wie es sie zu allen Zeiten und in allen Gesellschaftsformationen
gegeben hat und auch noch heute gibt.
Peter Tremayne
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|17| SCHIERLING ZUR VESPER
Die Glocke, die zum Sechs-Uhr-Gebet rief, war längst verklungen, als Fidelma am Tor des in der Abenddämmerung
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