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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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rasiert, und die Haut unter den Bartstoppeln
     schimmerte unangenehm blau.
    »Wie heißt du?«
    »Tullius.«
    »Wie lange versiehst du schon dein Amt hier?«
    »Seit sechs Monaten.«
    »Als Diakon gehört es zu deinen Obliegenheiten, Wein und Brot für die Segnung bereitzustellen. So ist es doch, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Hast du das auch heute getan?«
    »Ja.«
    »Reden wir über den Wein.«
    Der Diakon schien verunsichert. »Wie meinst du das?«
    »Sprich über den Wein im Kelch. Wo kam der her, wie wurde er eingefüllt, war er zu irgendeinem Zeitpunkt unbeaufsichtigt?«
    |263| »Der Wein wird in der Stadt gekauft. Wir haben immer einen Vorrat von einigen Amphoren in den Gewölben unter der
ecclesia
. Heute früh bin ich nach unten gegangen und habe einen Krug gefüllt. Ich habe gezählt, wie viele Gläubige gekommen waren,
     und habe die entsprechende Menge Wein in den Kelch gegossen. Das wird immer so gemacht. Mit dem Brot verfahren wir genauso.
     Wenn Brot und Wein gesegnet sind und die Transsubstantiation erfolgt ist, darf keine der Hostien und erst recht kein Tropfen
     des Blutes Christi vergeudet werden. Alles muss bis aufs Letzte aufgebraucht werden.«
    In den Kirchen Irlands galt das Empfangen von Brot und Wein lediglich als eine symbolische Geste in Erinnerung an Christus.
     Rom jedoch hatte damit begonnen, die Ansicht zu verfechten, dass bei der Segnung die irdische Materie sich buchstäblich in
     Fleisch und Blut Christi verwandele. Fidelmas skeptisches Lächeln war nicht als Geringschätzung gegenüber der neuen Lehre
     zu verstehen, sondern galt mehr der Vorstellung, wie der vergiftete Wein als das leibliche Blut des Heilands begriffen werden
     könnte. Wer, fragte sie sich, würde es jetzt noch auf sich nehmen, davon zu trinken?
    »Du hast also den Wein aus dem Krug in den Kelch gefüllt, nachdem du dich vergewissert hattest, wie viele Leute die Messe
     besuchen?«
    »Ja, so war das.«
    »Wo ist der Krug jetzt?«
    »In der Sakristei.«
    »Gehen wir dort hin. Ich möchte ihn sehen.«
    Der Diakon stand auf und führte sie durch eine Tür hinter dem Altar in einen Nebenraum der
ecclesia
. Dort wurden die Kultgeräte und die Messgewänder des Priesters aufbewahrt. Fidelma schaute sich in der schmalen Kammer um,
     sie war nicht mehr als sechs Fuß breit und zwölf Fuß lang. Gleich neben der |264| Tür, die sich zum Kirchenschiff öffnete, gab es einen Zugang zu den Steinstufen hinunter in die düstere Krypta. Am anderen
     Ende der Sakristei befand sich eine dritte Tür mit einem kleinen rautenförmigen Fenster in der Mitte, das einen Blick nach
     draußen erlaubte. An Wandhaken hingen mehrere Kleidungsstücke, auf Regalen standen Heiligenfiguren und etliche Bücher. Ferner
     gab es eine Bank mit einigen Brotlaiben und dem Weinkrug. Fidelma beugte sich über den Krug und schnupperte. Nichts von einem
     ätzenden Geruch. Sie tauchte den Zeigefinger in den Wein, roch und leckte vorsichtig daran. Kein Anzeichen eines bitteren
     Geschmacks. So viel stand fest, das Gift konnte erst in den Wein gelangt sein, nachdem er in den Kelch gegossen worden war.
    »Ist der Kelch, der heute benutzt wurde, der Kelch, der bei jeder Messe benutzt wird?«
    Der Diakon nickte.
    »Und der Kelch hat hier in der Sakristei gestanden, während du den Wein aus dem Gewölbe geholt hast?«
    »Ja. Auf meinem Weg zur Kirche habe ich wie immer das Brot gekauft und da abgelegt, um es in kleine Scheiben zu schneiden.
     Dann bin ich in die Krypta gestiegen, hab den Wein in den Krug gefüllt und ihn neben den Kelch gestellt. Abt Miseno kam herein
     und ging, soweit ich mich erinnere, ohne sich aufzuhalten durch die Sakristei in den Kirchenraum zur Gemeinde. Wie ich feststellte,
     waren nur wenige zum Gottesdienst gekommen, und entsprechend wenig Wein goss ich in den Kelch.«
    Fidelma überlegte. »Abt Miseno ist hier zur Kirche durchgegangen, noch bevor du den Wein in den Kelch gegossen hattest?«
    »Ja.«
    »Und wie du sagst, hast du die Sakristei überhaupt nicht verlassen, |265| nachdem du den Krug mit dem Wein hochgebracht und den Kelch gefüllt hattest?«
    »Während ich noch in der Tür stand und überschlug, wie groß die Gemeinde war, erschien Pater Cornelius in der Sakristei. Er
     ist eigentlich gleich nach dem Abt gekommen.«
    »Pater Cornelius ist der Priester, der die Messe zelebrierte?«
    »Ja. Er kleidete sich für den Gottesdienst an, und ich habe den Wein in den Kelch gefüllt. Dann bin ich wieder zur Tür gegangen
     und habe

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