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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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großen Phantasie, sich auszumalen, wie er ausgelegt werden würde. Es könnte
     sogar die Gläubigen abhalten, fürderhin das heilige |260| Sakrament zu empfangen. Ich wäre dir dankbar, Schwester, wenn du mit deinen Kenntnissen den Dingen hier auf den Grund gingest,
     noch ehe wir der Obrigkeit Meldung erstatten müssen.«
    »Das dürfte dem jungen
custos
wenig gefallen«, meinte Fidelma und wies flüchtig auf den ungeduldig wartenden Wächter. »Er ist gewiss der Ansicht, diese
     Aufgabe stünde ihm zu.«
    »Er hat hier keine Befugnisse. Die habe ich. Entsprichst du meiner Bitte?«
    »Ich will gern alle hier befragen, doch kann ich nicht versprechen, ob das zu einem Ergebnis führt«, erwiderte Fidelma.
    Der Abt machte eine unglückliche Miene und hob hilflos die Hände. »Der Schuldige muss jemand in der kleinen Schar hier sein.
     Du bist geübt, dergleichen zu ergründen. Wirst du es versuchen …?«
    »Also gut. Nur gehöre ich auch zu der kleinen Schar. Woher willst du wissen, dass ich schuldlos bin?«
    Abt Miseno war verblüfft, doch dann überzog ein breites Lächeln sein Gesicht. »Du bist ja erst gegen Ende des Gottesdienstes
     hereingekommen und hast ganz hinten gestanden. Wie hättest du Gift in Brot oder Wein tun können, während beides vor aller
     Augen auf dem Altartisch stand?«
    »Das stimmt natürlich. Doch wie sieht es mit den anderen aus? Waren alle während der ganzen Messe hier?«
    »Doch, ich denke schon.«
    »Du selbst auch?«
    Der rundliche Abt lächelte gezwungen. »Du darfst mich zu deinen Tatverdächtigen zählen, bis du genügend Erkenntnisse hast,
     die das Gegenteil bezeugen.«
    »Also gut. Zuallererst müssen wir wissen, wie das Gift verabreicht wurde.«
    |261| »Ich werde unseren Stadtwächter ermahnen, dir mit Respekt zu begegnen und deinen Anweisungen zu folgen.«
    Sie gingen zu der Gruppe hinüber, die beklommen um den toten Gallier herum stand. Seine wehklagende Schwester hielt noch immer
     die Arme um seinen Kopf geschlungen.
    Der Abt räusperte sich. »Ich habe die Ordensschwester gebeten, wegen dieses Todesfalls eine Befragung durchzuführen«, begann
     er. »Sie ist hervorragend geeignet dafür. Ich vertraue darauf, dass ihr sie alle«, er ließ seinen Blick auf dem hochmütigen
     Stadtwächter ruhen, »dabei unterstützt. Sie hat meinen Segen und meine kirchliche Vollmacht.«
    Alle schwiegen, und manche blickten ratlos zu ihr hin.
    Fidelma trat vor. »Ich möchte, dass ihr euch alle an die Plätze begebt, an denen ihr gestanden habt, bevor das hier geschah.«
     Teilnahmsvoll lächelte sie dem jungen Mädchen zu. »Du musst das nicht, wenn du es nicht möchtest, doch für deinen Bruder kannst
     du nichts Besseres tun, als wahrheitsgemäß die Fragen zu beantworten, die ich dir stellen werde.«
    Enodoc beugte sich zu ihr herab, um ihr hochzuhelfen und sie sanft vom Leichnam ihres Bruders zu lösen. Dann geleitete er
     sie an ihren Platz. Zögerlich kamen alle Mitglieder der Gemeinde Fidelmas Aufforderung nach.
    Sie ging zum Altartisch, nahm eine Hostie von der Silberplatte und schnüffelte argwöhnisch daran. Vorsichtig untersuchte sie
     auch die übrigen Bröckchen, doch die schienen ganz in Ordnung. Danach roch sie an dem Kelch mit dem Abendmahlswein, konnte
     aber den merkwürdigen Geruch nicht recht zuordnen. Er wirkte bitter, und allein schon die Ausdünstung spürte sie in der Kehle,
     sie hatte Mühe, Luft zu holen, und musste heftig husten.
    »Wie ich mir dachte, der Wein ist vergiftet«, ließ sie alle wissen. »Welcher Art das Gift ist, kann ich nicht sagen, doch
     allein |262| seine Dünste sprechen für sich. Seine unmittelbare Wirkung habt ihr alle erlebt, ich muss euch nicht zur Vorsicht mahnen.«
    Sie winkte dem jungen Stadtwächter. »Nimm zwei Schemel und stelle sie« – sie blickte umher und fand eine abgeschirmte Ecke
     im Kirchlein – »… und stelle sie dort hin. Dann bezieh bitte Posten an der Tür und lass niemand hinein oder heraus, bis ich
     dich rufe.«
    Der junge Krieger wollte schon aufbrausen und schaute zum Abt. Doch der machte nur eine knappe Bewegung mit der Hand, und
     der Bursche fügte sich.
    »Zuerst möchte ich mit dir reden, Diakon«, sagte Fidelma und ging zu den Schemeln. Sie setzten sich, und Fidelma hatte Gelegenheit,
     den Diakon näher in Augenschein zu nehmen. Er war kaum zwanzig Jahre alt, hatte dunkles Haar und ein unschönes Gesicht. Die
     Augen standen eng beieinander, darüber wölbten sich buschige Brauen. Er war schlecht

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