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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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misstrauische und feindselige
     Blicke. Sie entließ den Diakon und winkte dem Priester, sich zu ihr zu setzen.
    »Du bist Pater Cornelius, nehme ich an?«
    »Der bin ich.« Der Priester sah angegriffen und sichtlich niedergeschlagen aus.
    »Wie lange bist du hier schon der Gemeindepfarrer?«
    »Seit drei Jahren.«
    »Hast du eine Vorstellung, wie das Gift in den Wein für das Abendmahl geraten ist?«
    »Nein, überhaupt nicht. Für meine Begriffe ist es völlig unmöglich.«
    »Unmöglich?«
    »Es ist völlig unmöglich, dass es jemand wagt, den Frevel zu begehen, die Eucharistie zu schänden.«
    Fidelma atmete tief durch. »Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass es geschehen ist. Wenn einer entschlossen ist, einen Mord
     zu begehen, dann ist eine kirchenschänderische Handlung eine Geringfügigkeit, verglichen mit dem Verstoß gegen ein von Gott
     erlassenes Gebot«, bemerkte sie trocken. »Als Tullius, der Diakon, den Wein aus der Sakristei brachte, hat er ihn auf den
     Altar gestellt?«
    »Ja.«
    »Er stand also vor aller Augen dort, und niemand näherte sich ihm, bis du den Kelch gesegnet und erhoben hast und dem ersten
     Kommunikanten das Sakrament ausgeteilt hast?«
    »Niemand ist dem Kelch nahe gekommen«, bestätigte der Geistliche.
    »Hast du gewusst, wer der erste Kommunikant sein würde?«
    Pater Cornelius krauste die Stirn. »Ich bin kein Prophet. Die |269| Gläubigen kommen, um das Sakrament zu empfangen, wie und wann sie wollen. In welcher Reihenfolge sie das tun, ist völlig zufällig.«
    »Worin bestehen deine Meinungsverschiedenheiten mit Abt Miseno?«
    Der Pater blinzelte verdutzt. »Was meinst du damit?«, fragte er mit einer Stimme, die Unbehagen verriet.
    »Mein Latein ist doch wohl verständlich genug«, erwiderte Fidelma seelenruhig.
    Pater Cornelius zögerte ein wenig und erklärte dann achselzuckend: »Abt Miseno möchte mein Amt jemand anderem übertragen.«
    »Und warum?«
    »Ich kann mich mit den Lehren des Augustinus von Hippo nicht einverstanden erklären, dass alles vorherbestimmt ist. Das ist
     jetzt eine Doktrin unserer Kirche geworden. Ich glaube, Männer und Frauen müssen die grundlegenden Schritte zu ihrem Seelenheil
     selbst tun, durch eigenes Bemühen. Wenn die Menschen nicht selbst verantwortlich sind für ihre guten oder bösen Taten, dann
     gibt es doch nichts, das sie daran hindert, sich zügellos der Sünde anheimzugeben. Wenn man so argumentiert, wie Augustinus
     es getan hat, dass es völlig gleichgültig ist, was wir im Leben tun, weil Gott alles vorherbestimmt hat und bereits entschieden
     ist, ob unser Lohn Himmel oder Hölle ist, dann gefährdet das doch unser gesamtes moralisches Gesetz. Wegen seiner Meinung
     nach ketzerischen Ansichten möchte mich der Abt von dieser Kirchenstelle entfernen.«
    Es war ein mit Inbrunst vorgebrachtes Bekenntnis. »Würdest du dich als Anhänger des Pelagius bezeichnen?«, fragte Fidelma.«
    Pater Cornelius blieb sich treu. »Pelagius hat einen moralischen |270| Grundsatz verkündet. Männer und Frauen haben die Wahl, Gutes zu tun oder Böses. Nichts ist vorherbestimmt. Entscheidend ist,
     wie wir unser Leben gestalten, nur das entscheidet, ob unser Lohn Himmel oder Hölle ist.«
    »Doch Papst Innocentius hat Pelagius zum Ketzer erklärt«, warf Fidelma ein.
    »Und der nächste Papst Zosimus hat ihn in Schutz genommen.«
    »Um später seine Entscheidung zu widerrufen«, meinte Fidelma milde lächelnd. »Doch mir ist das gleich. In den Lehren der Kirche
     meines Landes hat Pelagius seinen festen Platz, denn er war unseres Blutes und unseres Glaubens. Für uns ist jetzt von Belang,
     dass sich Abt Miseno auf die Lehren des Augustinus von Hippo beruft. Das hast du doch gesagt, nicht wahr?«
    »Ja. Und er will mir diese Stelle hier entziehen, weil ich nicht so denke wie er.«
    »Hat der Abt die Befugnis, als Pfarrer dieser Kirche einzusetzen, wen er für geeignet hält?«
    »Ja, die hat er.«
    »Vermutlich hat er auch die Befugnis, dich ohne Begründung zu entlassen?«
    »Nicht ohne triftigen Grund. Er muss seine Entscheidung dem Bischof gegenüber rechtfertigen.«
    »Ah ja, so ist das hier. In Rom stehen die Bischöfe über den Äbten. In Irland ist das anders. Ist das Bekenntnis zu Pelagius,
     der als Ketzer gilt – ob zu Recht oder nicht, sei dahingestellt –, Grund genug, dir die Gemeinde hier zu entziehen?«
    »Ich predige weder die Lehren des Pelagius noch die des Augustinus. Beide beschäftigen lediglich mein Gewissen. Den

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