Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
ihn sicher wieder.“
Nach einem kurzen Moment erhellte sich Kwins Gesicht. „Das ist der Drache, den ich für dich … Wie kann er leben?“
„Er hat mir aufgetragen, die Drachenschuppen zu benutzen. Das ist das Ergebnis“, erklärte Alep.
Kwin bedachte seinen Freund mit einem fragenden Blick. „Da steckt doch mehr dahinter.“
Wigget dreht sich zu Alep. „Sagt an, Magier, wie stehts mit Speis und Trank. Ich darbe schon seit mehr als zweitausend Jahren und fühle mich ein wenig schlapp.“
„Magier?“, fragte Kwin zweifelnd. Alep hielt es für angebracht zu schweigen.
Früh am nächsten Morgen schulterte Kwin seine Axt und verließ das Lager. Alep versorgte die Tiere und bereitete sich ein Frühstück. Bald darauf hörte er Laub rascheln, aber es war nicht Kwin, der auf die Lichtung trat, sondern eine großgewachsene Frau, mit roten Haaren und einem Schwert auf dem Rücken.
„Seid Ihr Alep Dieron Elders?“
Alep fiel auf, dass in letzter Zeit jeder Fremde seinen vollständigen Namen kannte und ihn aufsagte wie eine Parole. „Ja“, entgegnete er vorsichtig.
„Ich soll dir eine Botschaft von Knoll übermitteln. Wir kehren noch heute nach Hornburg zurück. Wenn du Pretorius' Ruf folgen willst, wirst du alleine zurechtkommen müssen. Leb wohl“, schloss sie und verschwand im Wald.
Er setzte sich wieder hin und nahm ein Stück Brot. Noch so etwas, das bei Fremden, die ihn suchten, zur Gewohnheit wurde, ging es ihm durch den Sinn: Sie tauchten unerwartet auf und verschwanden, bevor man die wirklich wichtigen Fragen stellen konnte.
Von irgendwo flatterte Wigget herbei und sank gemächlich zur Erde. Auch Twist kehrte kurz darauf zurück. Alep saß still und dachte nach.
„Kann ich Euch helfen, Magier? Ihr wälzt, wie mir scheint, Fragen über Fragen und findet keine Antwort. Euer Blick ist von Verzweiflung schon ganz trübe.“ Der Drache grinste.
Alep fühlte sich zu dem kleinen Drachen hingezogen. Seine überhebliche Art störte ihn weit weniger als Kwin.
„Ja!“, entgegnete Alep. „Zuerst: Nenn mich nicht Magier.“
„Wie Ihr wünscht.“ Wigget machte eine kleine Pause und schloss die Augen. „Wie wäre es statt dessen mit: Zauberer?“
Alep schüttelte energisch den Kopf.
„Dann Hexenmeister.“
Wieder schüttelte Alep den Kopf.
„Oder Krieger?“
„Nein.“
„Ritter?“
„Nein!“, Alep grinste. Der kleine Drache war unterhaltsam.
Langsam schob Wigget seinen Kopf nach vorn. „Irgendwann werdet Ihr Euch entscheiden müssen; für das eine oder das andere. Ich rate Euch zu beidem. ‘Kriegermagier’ klingt gut. Findet Ihr nicht auch?“
Unterhaltsam und sehr ernst. „Ich bin weder das eine, noch das andere. Im Grunde weiß ich es selbst nicht so genau. Aber ich werde es herausfinden.
„Ihr habt Magie in Euch“, sagte Wigget. „Manch einer gäbe all seinen Besitz dafür. Lernt sie zu beherrschen. Macht Euch mit dem Gedanken vertraut, Magier, dass Ihr anders seid, als die Menschen hier in Kahlitaer. Wenn Ihr der Auserwählte seid, dann müsst Ihr beides sein: Zauberer und Krieger.“
Durch den Wald erklang Kwins Gesang bis zum Lager. Alep lauschte gebannt. Es war ein trauriges Lied, das sein Freund da sang. Die schwermütige Melodie traf ihn ins Herz. Für wen sang sein Freund? Wovon nahm er Abschied? Dann drangen die ersten kräftigen Axthiebe zu ihm auf die Lichtung. Sie passten sich gleichmäßig in den Trauergesang ein und steigerten ihn noch. Alep glaubte, weinen zu müssen. Unfähig sich zu rühren saß er da und lauschte. Dann kündete ein mächtiges Krachen und das Bersten splitternden Holzes vom Fall des Baumes. Der Waldboden unter Aleps Füßen bebte, als der Baum aufschlug.
Kwin sang wieder. Es war eine neue Melodie, weniger traurig als zuvor. Dieses Lied klang verheißungsvoll, wie ein Versprechen von Glück und Frieden. Wieder ertönte die Axt und verschmolz mit dem Gesang. Freude breitete sich in Alep aus. Fast vergessen schienen seine Sorgen und Zweifel. Wie schlimm konnte es schon werden? Und in diesem Augenblick erlebte Alep die Welt mit all seinen Sinnen neu. Er fühlte die Nähe der Bäume, die ihn umgaben und die der Tiere des Waldes. Er hörte das gleiche Lied immer wieder, mal langsam, dann wieder schneller. Manchmal verstand Alep die Worte, aber meistens sang Kwin in einer fremden Sprache.
Als der letzte Axthieb verklungen war, kam Alep langsam wieder zu sich. Überrascht bemerkte er, dass er sich gut fühlte. Das Lied seines Freundes
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