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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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Bitterqueller ziellos und schreiend davon, wobei sie übereinander stürzten und sich gegenseitig niedertrampelten.
    Alep entdeckte die reglose Gestalt seines Bruders Bak, der nahebei in einer Blutlache lag und sich nicht mehr rührte. Halb unter ihm begraben erkannte er die Gestalt seiner Mutter. Alles Leben war aus ihren Augen gewichen. Regen sammelte sich darin.
    Gehetzt sah Alep sich um. Wo waren seine Großmutter, seine Schwester Rina und sein Vater? Er konnte sie in dem Chaos übereinander fallender Menschen und Echsen nirgends entdecken. Von Panik ergriffen sandte er seine Gedanken nach Wigget aus, erhielt aber keine Antwort.
    Zu seiner rechten, nur einige Meter entfernt, tauchte ein Nat Chatka drohend vor einem Jungen auf. Alep sah, wie das Monster mit einer einzigen Bewegung sein gezahntes Schwert in den Körper des Kindes schob und dann ungerührt weiterlief.
    Jetzt endlich erwachte er aus seiner Starre. Mit einem Schrei rannte er los, sprang auf den großen Fremden zu, packte mit der rechten Hand den Schwertstab, rammte Großer die linke Faust ins Gesicht, entwaffnete ihn, drehte den Stab herum und stach ihm die eigene Klinge ins Herz. Großer erstarrte und sackte mit einem ungläubigen Schnaufen zusammen. Mit einem hasserfüllten Schrei stürzte Alep den Schlangen am Schießstand entgegen.
    Kwin sah, was mit seinem Freund geschah. „Alep, nicht!“, brüllte er, aber Alep hörte niemanden mehr.
    „Schnell“, hetzte Lisett, „wir müssen ihm helfen.“
    „Nein!“ Kwin schüttelte nur den Kopf. „Wir können nichts für ihn tun. Wir würden sterben, wenn wir ihm folgen. Ihn schützt die Magie, uns nur das, was wir in den Händen halten.“ Er hob seinen Bogen. Noch einmal sah er kurz zu seinem Freund hinüber, dann gemahnte ihn Lisetts Warnschrei an die drohende Gefahr. Er fuhr herum. Vor ihm stand ein Nat Chatka, die dolchartigen, gelben Zähne entblößt und grinste ihn hämisch an. Doch ehe die Echse mit einer Streitaxt zuschlagen konnte, schoss Lisett ihr einen Pfeil in das geöffnete Maul.
    Alep marschierte mit ausdruckslosem Gesicht durch die Reihen der sich vor ihm aufbauenden Schlangen. Von überall her schienen sie zu kommen und stellten sich ihm zischend und fauchend in den Weg, wobei sie herausfordernd ihre schrecklichen Waffen schwangen.
    Alep war von alldem unbeeindruckt. Ähnlich wie auf den Feldern seines Vaters zur Erntezeit setzte er Schritt um Schritt den Echsen entgegen und mähte sie nieder wie Ähren im Herbst. Er schlitzte ihre Bäuche und Hälse schneller auf, als sie ihm auf ihren kräftigen Beinen ausweichen oder gar angreifen konnten. Sein Gesicht war dabei völlig ausdruckslos. Er marschierte wie im Traum dahin und vollzog immer die gleichen, endgültigen Bewegungen des Stockkampfes, die er seit seiner Kindheit mit seinem Vater und später mit seinem Großvater geübt hatte.
    Wigget war inzwischen wieder auf Aleps Schulter gelandet, hatte sich zur Seite gedreht und röstete mit dünnem Flammenstrahl, der gleißend aus seinem geöffneten Rachen schoss, die Gesichter der Echsen. Die Augen der Angreifer verdampften augenblicklich unter dem Drachenfeuer. Zurück blieben geschwärzte, dunkle Augenhöhlen und geschwärzte Schlangenhaut, die in Fetzen von bleichen Echsenschädeln hing.
    Während Alep langsam das Ende des Schießstandes erreichte, kam ein frischer Wind auf, der ihn begleitete und den Geruch von Tod, Blut und Verderben den übrigen Angreifern entgegen wehte. Aleps Haare und seine Kleidung lagen ruhig in diesem Wind, als flösse er um ihn herum und hülle den verletzlichen Menschenkörper in einen eigenen, undurchdringlichen Mantel, gleich einer unsichtbaren Rüstung aus verdichteter Luft.
    Als Alep das Ende des Schießstandes erreicht hatte, erkannte er, dass Borken noch lebte. Ein schuppiger Angreifer, der mit dünner, gespaltener Zunge die Luft prüfte, näherte sich dem alten Tischler. Borken bewegte matt seinen rechten Arm, als wollte er hilfesuchend auf sich aufmerksam machen. Das Echsenwesen hob seine Streitaxt. Doch Alep war schneller. Mit einem kräftigen Hieb zertrümmerte er den hässlichen Echsenkopf.
    Ungerührte drehte Alep um und schritt den gleichen Weg wieder zurück. Wer ihn sah, erkannte ihn nicht wieder. Sein Gesicht war unbeweglich, seine Augen auf der Suche nach mehr Feinden und mehr Hälsen, die er abschneiden konnte. Er dachte an nichts und fühlte nichts. Da war nur dieser unbändige Wille, das, was er kannte und liebte zu beschützen.

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