Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
Verletzungen aus diesen Auseinandersetzungen hervorging. Nicht ein einziges Mal musste Kwin allein für seine Rechte eintreten. Immer war Alep dagewesen und der Ablauf war immer gleich. Sie standen den Dorfjungen gegenüber. Man beschimpfte einander gehörig, worin Alep wirklich sehr gut war, aber längst nicht die Begabung des jungen Tischlers aufweisen konnte, der ihn hier weit übertraf. Dann bekamen Aleps Augen diesen trüben Glanz und er stürzte den Dorfjungen entgegen. Dabei schien es ihm völlig gleichgültig, wie sehr er sich den Schlägen der gegnerischen Jungen aussetzte. Er verteilte wesentlich mehr, und niemals trug Alep eine ernsthafte Verletzung davon.
Kwin war nichts anderes übriggeblieben, als hinterherzurennen und sich gemeinsam mit seinem Freund ins Getümmel zu stürzen. Damals hatte er sich Aleps wildes Gebaren als Folge seiner grenzenlosen Wut erklärt. Aber jetzt sah er, dass es im Grunde keinen Unterschied machte, ob Alep sich prügelte oder um sein Leben kämpfte. Kwin war kein eingebildeter junger Mann, aber wenn er sich all der vielen Auseinandersetzungen jetzt wieder erinnerte, bemächtigte sich seiner ein seltsames Gefühl – es war gerade so als hätte Alep es jedes Mal schon im Vorhinein gespürt, wenn sein Freund Hilfe brauchte. Es erschien Kwin seltsam, dass sein eigenes und Aleps Leben - so unterschiedlich beide auch waren - so eng miteinander verbunden schienen.
Als sie an diesem Abend ihr Nachtlager aufschlugen, fanden sie kein trockenes Holz für ein wärmendes Feuer. Zum ersten Mal seit sie Bitterquell verlassen hatten, bemerkte Alep, dass Kwin seinen rechten Arm nicht bewegte.
Alep schalt sich selbst einen ausgewachsenen Dummkopf. Als sie wenig später an den Stamm einer Eiche gelehnt dasaßen, drehte Alep sich zu seinem Freund um. „Kwin?“
Kwin öffnete langsam sein linkes Auge und sah zu Alep auf. „Hmm?“
„Wie geht es deiner Schulter?“
„Gut!“ Das Sprechen schien ihm Schwierigkeiten zu bereiten.
„Ich will mir die Wunde einmal ansehen“, sagte Alep und schob einen Arm vorsichtig unter Kwins Nacken. Wigget kam herbeigeflogen und landete sanft neben Twist. „Was hat er?“, fragte der kleine Drache.
„Ich weiß es noch nicht. Wenn es das ist, was ich vermute, bekommen wir hier jede Menge Schwierigkeiten.“ Schnell öffnete Alep Umhang und Hemd seines Freundes. Der Verband, der nun zum Vorschein kam, war dunkel und nass und roch streng. Alep drehte seinen Kopf weg, atmete tief ein und löste den Stoff so behutsam er konnte. Die freigelegte Wunde sah schrecklich aus und stank. Eine schmierige gelbbraune Schicht lag darüber. Alep betrachtete die eitrige Wunde. Er war unschlüssig, ob die ungesund aussehende Wundflüssigkeit auf Großmutters Salbe oder auf eine Entzündung zurückzuführen war. Er nahm die kleinen Töpfchen aus der Satteltasche, öffnete sie und roch daran. Mit ein wenig Glück war es tatsächlich Oma Elders Heilsalbe, die dafür verantwortlich war. Er öffnete einen Wasserschlauch, benetzte einen Streifen Stoff und tupfte behutsam die dunkle Schicht von der Wunde.
„Wenn Ihr da bloß das richtige tut“, ermahnte Wigget zweifelnd.
„Weißt du etwas besseres, dann heraus damit. Ich bin für jeden Vorschlag zu haben.“ Angespannt setzte Alep seine Arbeit fort.
Kwin schien von alledem wenig zu bemerken. Er atmete unregelmäßig und hielt die Augen geschlossen. Nachdem Alep die Wunde gesäubert hatte, überlegte er angestrengt, welches Pulver, welche Salbe die richtige war. Nach langem Zögern griff er in den kleinen Salbentopf und strich die grüne Masse vorsichtig über die verletzte Schulter. Danach legte er einen neuen Verband an. Kritisch betrachtete er das Ergebnis. „Es muss genügen. Mehr kann ich nicht tun. Außer einen Tee zu brühen und ein paar Tropfen von diesem Sud dazuzugeben, aber ohne Feuer gibt es auch kein kochendes Wasser.“
Alep überlegte kurz und meinte dann: „Auf jeden Fall muss er aus diesem Regen heraus.“
„Wir alle müssen aus diesem Regen“, sagte Wigget.
Alep sah Wigget bittend an. „Kannst du uns einen Unterschlupf suchen. Ganz gleich, was es ist, solange es ein Dach hat. Und nimm Twist mit, wenn er will. Er leidet nicht weniger als Kwin.“
Alep zog Kwin wieder an und wickelte ihn dann behutsam in dessen und in seine eigene Decke. Dann saß er bei seinem Freund und wartete auf Wigget und Twist.
Als die beiden zurückkehrten, war Alep eingenickt. Wigget weckte ihn. „Heda, Magier,
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